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Foto: Irma Flesch

Gefährliche Liebschaften

28. April 2011

Ideal und Wirklichkeit der Liebe in Mozarts „Così fan tutte“ - Opernzeit 05/11

„Die Liebe für´s Leben“, gibt es das überhaupt? In einer Zeit, in der Partnerschaften einen Lebensabschnitt dauern und Familien zu Patchwork werden, will niemand mehr so recht daran glauben. 50 Prozent der Ehen in deutschen Großstädten werden geschieden. Ewige Treue, ein harmonisches Miteinander bis dass der Tod Euch scheidet – ist der Mensch überhaupt dazu fähig, genetisch daraufhin angelegt? Wohl eher nicht. Und doch, trotz aller Skepsis träumen die meisten Menschen von der großen Liebe. Partnerschaftsforen im Internet boomen: Niemand will alleine bleiben, jeder sehnt sich nach romantischer Zweisamkeit, möglichst für die Ewigkeit…

Mozarts „Così fan tutte“ ist eine schonungslose Schule der Liebenden: Top, die Wette gilt! Zwei junge Männer wetten auf die Treue ihrer Angebeteten Dorabella und Fiordiligi. Sie wollen dem Skeptiker Don Alfonso beweisen, dass ihre Frauen den Annäherungen anderer Männer widerstehen. Sie geben vor, in den Krieg (!) zu ziehen. Von den Frauen unerkannt kehren sie in Verkleidung zurück und versuchen, das ist die Perfidie der Wette, nicht die eigene Freundin, sondern die des anderen zu verführen, was ihnen, nach einem fingierten Selbstmordversuch auch gelingt. Aber nicht nur die beiden Damen verlieben sich in ihre aufopferungswilligen Verehrer, auch die beiden Herren sind empfänglich – sei es aus Machismo wie bei Gugliemo oder Empfindsamkeit wie bei Ferrando – sich der weiblichen Gunst hinzugeben und vollziehen insgeheim den Partnertausch. Am Ende wird der wechselseitige Betrug offenbar, alle sind bitter enttäuscht, machen sich gegenseitige Vorwürfe. Das Schlimmste ist jedoch die Selbsterkenntnis: Zu der ewigen Treue, die sie sich geschworen haben, sind sie alle nicht fähig. Mit dieser desillusionierenden Einsicht kehren sie zurück in die alte Paarkonstellation.

Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte schufen in den drei Opern „Le Nozze di Figaro“ (1786), „Don Giovanni“ (1787) und „Così fan tutte“ (1790) eine Trilogie der Ent -täuschung. Die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit von Liebesbeziehungen spitzt sich in diesen Gegenwartsstücken zu. Ihre letzte gemeinsame Oper ist die radikalste und es wundert nicht, dass gerade das 19. Jahrhundert dieses Werk als amoralisch brandmarkte und den Text entschärfte, um die Musik Mozarts, deren Qualität außer Frage stand, vor dem Libretto zu „retten“. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts revidierten Richard Strauss und Gustav Mahler die textlichen Verunstaltungen und das Werk fand zu seiner ursprünglichen Gestalt zurück.

Heiteres Liebesspiel oder abgründiges Liebesdrama? Mozart bedient sich der formalen Vorgaben der opera buffa, der komischen Oper, und zeigt zugleich die Abgründe der comédie humaine auf. In seiner Musiksprache trennt Mozart scharf zwischen komödiantischen Übertreibungen in den Verkleidungsszenen und den „echten“ Empfindungen der Figuren in den Arien, in denen die Ambivalenz und Irritation ihrer Gefühle zum Ausdruck kommt. Mozart lässt keine Zweifel, wer von den Liebenden eigentlich zusammen gehört, denn die sich entsprechenden Stimmpaare bzw. Charaktere finden durch die perfide Wette erst zusammen: Sopran und Tenor, Mezzosopran und Bariton. Diese musikalischen Wahlverwandschaften konterkarieren die vermeintliche Versöhnung des lieto fine, des obligatorischen Happy Ends der Komödie, das die alten Konstellationen wieder herstellt. Cosi fan tutte - eine tragische Komödie um Ideal und Wirklichkeit der Liebe. Der einzige Trost: So machen es alle!

„Così fan tutte“ von Wolfgang Amadeus Mozart | R: Nicolas Brieger | Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf | Fr 6.5., Sa 14.5., Fr. 20.5., Mi 25.5., Sa. 28.5. je 19.30 Uhr | 0211 892 52 11

KERSTIN MARIA PÖHLER

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