Eckerts Wacholder-Brennerei im Saarland bietet seinen KundInnen Grubenwasser an. So heißt ein Likör aus dem Produktsortiment, das unverkennbar aus der eigenen Region stammt. Das Saarland hat dem Ruhrgebiet damit sinnbildlich etwas voraus: die Vermarktung einer Altlast aus Bergbautagen. Hier wie dort diskutieren Unternehmen, Politik und BürgerInnen über die Folgen, seitdem der Bergbaukonzern RAG bereits im letzten Jahr Pläne für das Grubenwasser vorstellte.
Wie diese „Ewigkeitsaufgabe“ umgesetzt werden soll, begeistert allerdings nicht alle. Die geplante Grubenflutung sorgt nicht nur für Sorgen vor einer Vermischung des belasteten Grubenwassers mit Trinkressourcen (siehe S. 7). Denn aufgrund der Bergbauära liegt rund ein Fünftel der Region unter dem Grundwasserspiegel. Es ist Land auf Pump. Damit dieser ohnehin tiefer gelegte Boden nicht zu weit absinkt, verspricht die RAG eine Regulierung des nach oben dringenden Wassers.
Fest steht allerdings, dass sich die Topographie des Ruhrgebiets dadurch verändern wird. Eine Seenplatten-Szenerie wäre möglich. Statt einem Fluch sieht die RAG darin allerdings einen Segen für die Region und malt eine „Renaturalisierung der Emscher“, die Natur- und Freizeitwerte mit sich bringt. Kurz: Die RAG verspricht blühende Emscher-Landschaften. Und dieser Umbau soll wiederum Projekte anstoßen.
Doch wenn die Begriffe Wasser und Projekt in einer Ankündigung nacheinander fallen, verheißt es nichts Gutes für alle StädtebewohnerInnen, die durch schnaufen, wenn der Lohn am Monatsende für Miete und Spesen ausreicht. Investoren lechzen nach urbanen Wasserlagen, die ihnen RaumplanerInnen fleißig umsetzen. Was als Trend in der 1990er-Jahren in Hamburg begann, ist mit Großprojekten wie dem Duisburger Innenstadthafen, dem Dortmunder Phoenixsee oder den aktuellen Marina-Modellen unlängst im strukturschwachen Ruhrgebiet angekommen.
Für den postmontanen Ballungsraum bewies die Region sogar eine Pionierleistung. Der Umbau des Emscherparks zählt zu den spektakulärsten städtebaulichen und wasserwirtschaftlichen Projekten in Europa. Unterschätzt wird auch oft, dass sich (mit rund 500 Kilometern) eines der dichtesten Wasserstraßennetze des Kontinents durch das Ruhrgebiet zieht. Die Flüsse und Kanäle dienten einst dem Transport und Verkehr. Heute machen sie als Industriekulissen die Marke der Region aus.
Das „Branding“ dieser Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit soll eine Anziehungskraft auf globale Kapitalströme ausüben. Der Stadtgeograph David Harvey spricht von einem „kollektiven symbolischen Kapital“, das besondere, regionale Distinktionsmerkmale mobilisiert. Standorte wie Essen müssen die Werbetrommeln noch lauter rühren, um als unternehmerische Stadt im Weltmarkt gegen Mega-Metropolen wie Paris oder Berlin zu bestehen.
Die Altlast Grubenwasser könnte das flüssige Gold einer deindustrialisierten Ära werden, um zumindest eine maximale Monopolrente abzuwerfen. BürgerInnen und Initiativen sollten daher früh Macht beanspruchen, das Management der Bergbaualtlasten und den damit zusammenhängenden Urbanisierungsprozess mitzugestalten. Eine „Wachstumsmaschine“ rund um die RAG wird nur ein Prestigeprojekt nach dem anderen feierlich einweihen.
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bund-nrw.de/themen/klima-energie/im-fokus/steinkohle-ewigkeitslasten/steinkohlenbergbau-und-grubenwasser/ | Die Umweltorganisation BUND mit einem Überblick des Grubenwasser-Problems.
gw-ruhr.rub.de/ | Das Ruhr-Uni-Projekt klärt mit einem Video auf und untersucht die energetische Nutzbarkeit von Grubenwasser.
rag.de/ewigkeitsaufgaben/wasserhaltung/ | Dossier der mit der Ewigkeitsaufgabe Grubenwasser betrauten RAG AG zur Wasserreinhaltung.
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