Die Rolle des Hänsel singt eine junge Frau. Dafür spielt die Hexe ein Mann. Und das Sandmännchen wiederum eine Dame. Das klingt wie ein avantgardistischer Geschlechteraufruhr auf der Opernbühne, wirkt also für die ganz jungen Zuschauer vorbildlich als ein Paradestück für Toleranz im oft unnötigen Gender-Kampf. Es gibt aber nur den Besetzungszettel der Oper „Hänsel und Gretel“ wieder, der Klassiker des Komponisten Engelbert Humperdinck – auch für die Weihnachtszeit. Dessen Todesjahr liegt genau ein Jahrhundert zurück, was kaum jemand bemerkt hätte, gäbe es nicht die Musikhistoriker, die runde Jubel- beziehungsweise Trauertage gern zum Anlass nehmen, eine Biographie auf den Markt zu bringen. Und da steht für Rhein- und Ruhrkundler viel Interessantes drin.
Der Siegburger Lehrersohn Engelbert darf gern als „Kölsche Jung“ eingebürgert werden, lag doch sein Geburtsort im Jahre 1854 im Regierungsbezirk Köln. Frühe Versuche, im Kölner Musikleben Fuß zu fassen, scheiterten trotz positiver Ansätze. Deshalb brachte der Bonner Autor Matthias Corvin nun den Begriff „Kölscher Klüngel“ ins Spiel. Letzterer verhalf Humperdinck sogar zu einer Position als Gesellschafter in „Kanonenkönig“ Krupps Villa Hügel in Essen – nur eine Stippvisite. Humperdinck war wohl für Höheres geschaffen.
Die Vertonung seines Tophits „Hänsel und Gretel“ erwuchs allerdings eher beiläufig aus einer familiären Spielerei im Hause Humperdinck. Für den Komponisten bedeutete diese rasch weltweit gefeierte Gelegenheitskomposition Wohlstand und Anerkennung. Für die Musikwissenschaft und deren Formenlehre wurde seine Entwicklung des „gebundenen Melodrams“ wichtiger, eine Art tonhöhennotierter Sprechgesang, der später auf Arnold Schönberg und auf die Zweite Wiener Schule wirkt: Humperdincks Vermächtnis an die bereits dräuenden Neutöner und Titelgeber für die Biographie „Märchenerzähler und Visionär“.
Die Wirkkraft seines Namens nutzte auch ein britischer Schlagersänger: Ein Schmusebarde mit der Karriere vom Sozialfall zum Millionär, der als Engelbert Humperdinck mehr als 150 Millionen Schallplatten weltweit verkauft hat. Den Nachnamen haben Nachfahren des Komponisten dem Schlagermann abgeklagt, da war er aber schon ganz oben. Dieses Jahr feierte er seinen 85. Geburtstag – der Name Engelbert bürgt auch geliehen für Erfolg in jedem Genre.
Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel | ab So 5.12. 18.30 Uhr (P) | Theater Duisburg, Opernhaus Düsseldorf | www.operamrhein.de
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