Über die Situation der Kulturlandschaft in Köln wird viel gemeckert, und das oftmals zu Recht. Aber wenn man dann sieht, welche Tanz-Gastspiele in Oper und Schauspiel zu sehen sind, dann spürt man wieder den Reiz der Großstadt, und sieht, dass es in Köln doch noch Kultur gibt, die sich auf Champions League-Niveau befindet. Wer hier einmal die Produktionen von Peeping Tom, dem Nederlands Dans Theater, Lloyd Newson, Wim Vandekeybus oder dem Aterballetto gesehen hat, vergisst sie nie wieder, einfach Weltniveau.
So etwas gibt es in Köln, man spricht viel zu wenig darüber. Eine Tatsache, die sich der Rat der Stadt jetzt zu Nutze gemacht hat. Denn der Etat für die Gastspielreihe wird um ein Drittel gekürzt. Wie sagt man so schön hässlich bei jenen Fußballvereinen, die unnötiger Weise absteigen: Der Fisch stinkt vom Kopf. Da wird tolle Arbeit auf den Kölner Bühnen geleistet, wo man Hanna Koller jedes Jahr auf Reisen schickt, um das Beste für Köln in ganz Europa einzukaufen und wir uns für einen Moment als Bürger einer Kulturmetropole fühlen dürfen. Und dann geht der Rat hin, und zerstört diese Arbeit im Handstreich. Ziemlich rasch soll man sich einig gewesen sein, so rasch, dass offenbar Anke Brunn, die Spezialistin für den Tanz gar nicht erst gehört werden musste. Das jedenfalls wird unter vorgehaltener Hand kolportiert.
Tatsache ist, dass Hanna Koller in der kommenden Spielzeit, zu der alle Verträge und Termine vorliegen, bereits sparen soll. Eine Aufgabe, die kaum zu bewältigen ist, deshalb wird sie einen Vorgriff auf den nächsten Haushalt beantragen müssen, wie sie sagt. Dieses Geld wird dann im übernächsten Jahr neben den 300.000 Euro, die eh schon gestrichen sind, den Etat weiter schrumpfen lassen.
Kein Tanzhaus, keine Tanz-Kompanie und nun der Abbau der Gastspiele. Warum hasst der Rat die Tanzkunst, darf man sich da fragen? Oder liegt es einfach daran, dass sich hier niemand wehren kann, da die Gastspiele ja nichts mit den Etats der Intendanten zu tun haben, sozusagen niemand seine Hand über dieses Geld legen kann, das für die Bürger dieser Stadt bereitgestellt ist. Der Rat müsste diesen Posten in seine Obhut nehmen. Im Übrigen fließt auch das Geld, das bei den Gastspielen eingenommen wird – knapp 300.000 Euro - nicht zum Tanz zurück, sondern muss im Haus abgegeben werden.
Hier drängt sich der Eindruck auf, als sollten die Bürger hinter's Licht geführt werden. Denn die 900.000 Euro wurden als Trostpflaster für die Tatsache ausgegeben, dass man den Kölnern kein eigenes Ensemble am Schauspiel finanzieren wollte. Nun soll also auch dieser Ausgleich getilgt werden. Ein Skandal. In der Vergangenheit beschämten solche Entscheidungen die kulturinteressierten Kölner, von denen es mehr gibt, als der Rat sich offenbar träumen lässt, inzwischen macht sich nur noch Verbitterung breit.
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