Wie war das Jahr? Geht die Kurve der Tanzentwicklung in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens nach oben oder nach unten? Abgesehen von Berlin beheimatet keine Metropole in Deutschland so viele Tänzer in ihren Mauern wie Köln. Krise ist hier dennoch Dauerzustand, und da Köln eine Stadt ist, in der Tradition hochgehalten wird, bleibt sich die Politik darin treu, den Tanz nur widerwillig zu fördern. Die Szene hängt am Tropf, das zeigte sich 2014 anschaulich. Sobald Stadt und Land ihre Gelder freigegeben, wird fieberhaft produziert, mit dem Resultat, dass sich im Oktober die Premieren an den Wochenenden nur so stapelten. Keine gute Entwicklung für die Besucher, die nicht darauf warten, in einem Monat fünf verschiedene Choreographien betrachten zu dürfen.
Auch bei den Gruppen schlägt sich das Muster der unzuverlässigen Förderung in Produktionen nieder, denen man ansieht, dass sie eher auf die Rahmenbedingungen eines Förderantrags als auf künstlerische Ambition zugeschnitten sind. Zudem gibt es kaum noch Ensembleproduktionen, von den Leitsternen der Szene war 2014 nur wenig zu sehen. Die Produktionen von Stefanie Thiersch lassen sich in den bescheidenen Räumlichkeiten, die Köln für den Tanz bereithält, kaum noch aufführen. So ergeht es auch Silke Z., die mit „subtexten“ nur eine Fingerübung präsentierte. Das Michael Douglas Kollektiv – im letzten Jahr noch Tanzpreisgewinner mit der fulminanten Produktion „Golden Trash“ – schaltete 2014 mit „here is you and not me“ künstlerisch gleich um mehrere Gänge zurück. Dafür glänzten die Ensembleproduktionen von Emanuele Soavi und von bodytalk, den aktuellen Gewinnern des Tanzpreises.
Frischen Wind brachte im Sommer das Flow Dance Festival in die Stadt. Dem Publikum, das in Scharen zu den durchweg exquisiten Gastspielen des Kölner Schauspiels strömt, würde man wünschen, dass es in Zukunft auch die tollen Angebote dieses Festivals für sich entdeckt. Eine Marke setzte im Herbst wieder einmal tanz.tausch. Die Gäste solcher fein kuratierten Festivals machen einiges mehr als das Salz in der Suppe der freien Szene aus. Dabei fällt auf, dass die Produktionen ausländischer Gruppen etwa aus Belgien, Spanien, den Niederlanden, Polen oder dem Baltikum viel stärker auf getanztes Material setzen. Heimische Gruppen lösen Bewegung hingegen nur zu oft in kraftlose Performance-Passagen auf. Allerdings zeichnet sich eine Richtungsänderung ab. Denn zu den erfreulichsten Momenten des Tanzjahres zählen die Arbeiten einer jungen Generation von Choreographen, die schon sehr genau wissen, was sie wollen. So sprühen die Funken der Inspiration in der neuen Chaos-Produktion einer Sylvana Seddig, wozu der eiserne Formalismus einer Ursula Nill das perfekte Pendant bietet. Bildgewaltig zeigt sich das brillant agierende Männerduo Overhead Project. Dazu stoßen die vielversprechend experimentierende Marion Dieterle und Reut Shemesh mit erstaunlich ausgereiften Produktionen. Wenn sie alle auf dem Kölner Tanzboden bleiben, kann die Kurve trotz der Finanzprobleme wieder deutlich nach oben zeigen.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24
War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24
Vor der Selbstverzwergung
Ausstellung zu den „Goldenen Jahren“ des Tanzes in Köln – Tanz in NRW 06/24
Philosophie statt Nostalgie
Das Circus Dance Festival in Köln – Tanz in NRW 05/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Kinshasa und Köln
„absence#4“ im Barnes Crossing – Tanz in NRW 09/23
Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23
Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23
Visionen, Mut und Fleiß
Rund zehn Jahre Kölner Tanzfaktur – Tanz in NRW 06/23
Dialoge der Körper
SoloDuo Tanzfestival in Köln – Tanz in NRW 05/23
Das überraschende Moment
Bühnenbildner miegL und seine Handschrift – Tanz in NRW 04/23
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Akustischer Raum für den Tanz
Jörg Ritzenhoff verändert die Tanzwahrnehmung – Tanz in NRW 02/23
Kann KI Kunst?
Experimente von Choreografin Julia Riera – Tanz in NRW 01/23
Wie geht es weiter?
Mechtild Tellmann schaut auf Zukunft des Tanzes – Tanz in NRW 12/22
Der Zirkus verwandelt die Welt
„Zeit für Zirkus“ - Festival in NRW – Tanz in NRW 11/22
Reflexion oder Reaktion?
Urbäng! Festival mit Sonderausgabe zur Ukraine – Festival 10/22