Der deutsche Elvis Presley Peter Kraus ist seit rund 60 Jahren im Showbusiness aktiv. 1939 als Sohn des Schauspielers Fred Kraus geboren, wurde er in den 50er Jahren zum Teenie-Idol. Mit Rock’n’roll-Hits wie „Tutti Frutti“ und „Sugar Baby“ verkaufte er Millionen Schallplatten und war auch in Schlagerfilmen wie „Wenn die Conny mit dem Peter“ als Schauspieler erfolgreich. In der Jugendkomödie „Systemfehler – Wenn Inge tanzt“ ist er nun in der Rolle eines gealterten Schlagersängers wieder im Kino zu sehen.
choices: Herr Kraus, das ist Ihr erster Kinofilm seit zehn Jahren, was hat Sie dazu bewogen, für das Projekt zuzusagen?
Peter Kraus: Mir wurden schon oft Rollen als Schlagersänger angeboten, aber in diesem Fall war sie zum ersten Mal auch gut geschrieben. Das hat mich überzeugt. Das war hier wirklich eine Rolle, die man „spielt“, und bei der der Zuschauer nicht das Gefühl hat, dass Peter Kraus hier einfach nur er selbst ist. In „Systemfehler“ ist das eine Figur, in die ich mich hineindenken und die ich für mich kreieren konnte, was mir sehr gut gefallen hat. Ansonsten spiele ich Schlagersänger eigentlich nicht sehr gern, aber in diesem Fall hat es mir sehr viel Spaß gemacht!
War das für Sie in den 70er Jahren, als der Rock nicht mehr ganz so populär war in Deutschland, ebenfalls eine Option: Schlagersänger zu werden?
Ja, zwischendurch habe ich durchaus auch Schlager gemacht, das mussten wir damals dann alle irgendwann mal machen. Aber, im Lauf der Jahre haben wir sowieso alles mal gemacht: von Jazz und Blues bis hin zu Big Band und allem möglichen (lacht). Ich habe also durchaus auch als Schlagersänger gearbeitet, aber wahrscheinlich nicht mit dem gleichen Herzen, mit dem ich Rock ’n’ Roll gemacht habe.
„Systemfehler – Wenn Inge tanzt“ ist ein Teeniefilm – in diesem Genre kennen Sie sich ja gut aus ...
Ja, aber es ist eine ganz andere Form als bei den Filmen, die wir in den späten 50er Jahren so gemacht haben, „Conny und Peter“ und so weiter. Das waren damals ja die ersten Teenagerfilme überhaupt. Es ist spannend, das mitzuerleben, wie so etwas heute gemacht wird. Ich fand es toll, dabei sein zu können.
Worin liegen denn die Unterschiede zu früher, in erster Linie in der Technik?
Nein, nein. Es geht ja in erster Linie um die Geschichte, die heute natürlich anders erzählt wird. Früher gab es noch nicht einmal einen ersten Kuss, damals wurde über einen Kuss nur gesprochen. Es ist schon sehr lustig, heute tut sich da eine ganze Menge mehr (lacht). Ich habe mit Christine Kaufmann einmal den Film „Alle lieben Peter“ gedreht, da war es wirklich so, dass der Running Gag darin bestand, dass es nie zum Kuss kam. Im ganzen Film gab es keinen Kuss, noch nicht einmal am Ende! Das war 1959. Heute macht man das anders.
Wie hat sich denn der Zeitgeist seit damals geändert?
Der Zeitgeist hat sich seit damals ganz massiv geändert! Da könnte man ein ganzes Buch darüber schreiben. In erster Linie hat sich natürlich die Sprache ganz drastisch verändert, und auch der Unterschied zwischen Mädchen und Junge. Die 50er Jahre waren sprachlich ja noch vollkommen brav, in den 80er Jahren, aus denen meine Filmfigur Herb aus „Systemfehler“ stammt, hat sich das dann schon sehr einschneidend verändert. Wenn man mal überlegt, wie selbstverständlich heutzutage in einem Film – auch in diesem – das Wort „Scheiße“ verwendet wird … Hätte man das in den 50er Jahren gemacht, wäre das ein Skandal gewesen! Aber das geht noch viel weiter: Ein Mensch bewegt sich heutzutage auch ganz anders als in den 50er Jahren. Dabei muss ich zurückdenken an meinen ersten großen Skandal in den 50ern: Damals holte ich eine Frau vom Flughafen ab und das wurde fotografiert – und ich hatte dabei die Hand in der Hosentasche! Skandal! Heute stehen alle so herum, da gibt es eher einen Skandal, wenn jemand die Hand aus der Hosentasche nimmt!
Ist Ihre Rolle als Kritik am Musikgeschäft zu verstehen?
Nein, aber ich möchte mit der Figur ein bisschen erinnern an die vielen Menschen, die ich in der Schlagerbranche getroffen habe. Ich habe versucht, deren Unarten, die ich seinerzeit beobachtet habe, in meine Darstellung hineinzupacken. Die ganzen Eitelkeiten und so.
Bekommen Sie denn noch oft Filmdrehbücher angeboten oder setzen Sie einfach andere Prioritäten in Ihrem Leben – Sie sind ja nach wie vor noch oft auf Tournee ...
Meine Haupttätigkeit ist fraglos Sänger. Ich bin dermaßen gut im Tournee- und Gala-Geschäft drin, und es gibt viel zu viele nicht beschäftigte Schauspieler, als dass ich denen auch noch das Brot wegnehmen müsste (lacht). Das brauche ich nicht. Aber natürlich ist der Reiz groß, wenn eine Rolle wirklich interessant klingt, wie in diesem Fall. Ansonsten habe ich mich auch nicht bemüht, als Schauspieler wieder tätig zu werden.
Ist das ein Film, in den die Enkelkinder mit ihren Großeltern gehen können – die Enkelkinder wegen des Films an sich, die Großeltern wegen Peter Kraus?
Wenn es coole Großeltern sind, schon! Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dieses System aufgehen kann. In meinen eigenen Konzerten kommen die unterschiedlichsten Generationen zusammen. Die Jugendlichen gehen rein, weil sie sagen, ‚Ich möchte mal sehen, was der Typ da macht, den meine Mutter in Lebensgröße am Schrank kleben hat’. Das funktioniert schon ganz gut.
Ist es anstrengend, seit Jahren das Image „Für immer jung“ bedienen zu müssen?
Ich empfinde das nicht so. Ich kokettiere zwar damit, deswegen heißt auch das letzte Buch, das ich geschrieben habe, „Für immer jung“. Meine letzte Tournee hieß „Für immer in Jeans“, was ja auch nichts anderes bedeutet. Aber nein – ich fühle mich einfach so! Ich habe nicht das Gefühl, dass ich den Menschen dabei etwas vorspiele, nur um mich im Anschluss direkt in eine Ecke zu verziehen und zu schlafen, damit ich anschließend wieder topfit bin (lacht). Nein, ich fühle mich tatsächlich so, das ist echt.
Was wahrscheinlich auch von der ständigen Praxis herrührt – wenn man immer auf der Bühne steht, bleibt man sicherlich auch fitter ...
Es ist nicht nur die Praxis, so oft bin ich dann doch auch wieder nicht auf der Bühne. Aber ich bin eben immer noch ein Treibauf (lacht). Ich muss im privaten Rahmen auch immer etwas unternehmen und was tun. Ich bin kein Liegestuhlsitzer.
Vor 26 Jahren haben Sie mit Hans-Christoph Blumenberg „Der Sommer des Samurai“ gedreht, zusammen mit Cornelia Froboess – und damals genau 26 Jahre nach ihrem letzten gemeinsamen Film mit ihr. Wäre nun also wieder die Zeit gekommen für einen neuen Film mit Conny?
Wirklich? Das wusste ich bislang gar nicht ... Ich habe mit Blumenberg insgesamt drei Filme gedreht, den ersten mit Barbara Rudnik, „Tausend Augen“ im Jahr 1984. Blumenbergs Idee war es, dass ich in drei Filmen jeweils dieselbe Rolle spiele. Das war immer ein Weltenbummler, der wieder in seine alte Heimat zurückkam und sich als Taxifahrer sein Geld verdient hat. Seine Erfahrungen aus Australien, oder wo immer er zuvor gewesen war, wurden dann in die Geschichte eingebaut. Mit Cornelia Froboess mache ich so ungefähr alle zwei Jahre etwas zusammen. Und wenn es auch nur eine Talkshow ist, aber irgendetwas machen wir immer zusammen, um die alten Zeiten aufzufrischen. Das machen wir sehr gerne. Die Conny singt zwar nicht mehr gerne, sie spielt lieber Theater, aber sie plaudert gerne und ich freue mich immer, sie wieder zu sehen.
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