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Ihr Leben gerät aus den Fugen: Catherine Frot in „Ein Kuss von Béatrice“.
Foto: Presse

„Ich hatte zunächst große Angst vor der Rolle“

26. Mai 2017

Catherine Frot über „Ein Kuss von Béatrice“, Hebammen und Catherine Deneuve – Roter Teppich 06/17

In Frankreich zählt die 1956 in Paris geborene Catherine Frot schon seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten Kinostars. Seit 1975 steht sie schon vor den Kameras, doch erst durch ihre Rollen in „Zwei ungleiche Schwestern“, „Das Mädchen, das die Seiten umblättert“ und die Titelfigur in „Odette Toulemonde“ wurde sie 2006 zum Kassenmagneten. Es folgten Filme wie „Willkommen in der Bretagne“, „Die Köchin und der Präsident“ oder „Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne“. Ab 8. Juni ist sie nun im Kino in „Ein Kuss von Béatrice“ an der Seite von Filmlegende Catherine Deneuve zu sehen, in dem sie in die Rolle einer Hebamme schlüpft.

trailer: Madame Frot, könnten Sie sich vorstellen, jemandem, der Ihnen so großen Schmerz zugefügt hat wie Béatrice Claire, trotzdem zu vergeben?

Catherine Frot: Ja, das stimmt, „Ein Kuss von Béatrice“ ist eigentlich ein Film über das Verzeihen, das wird nur selten in den Vordergrund gestellt. Ich glaube schon, dass das möglich ist, weil man sich durch das Verzeihen auch selbst wieder öffnen kann. Nelson Mandela in Südafrika war auch in der Lage, de Klerk zu verzeihen. Das hat etwas Biblisches oder Mystisches, was mir eigentlich beides sehr fremd ist, weil ich weder religiös noch mystisch veranlagt bin. Aber ich denke schon, dass es so etwas gibt.

Der Film spielt von der Wiege bis zur Bahre, und erzählt in Gestalt Ihrer Figur Claire vom Leben dazwischen, in dem es darum geht, Chancen zu ergreifen, richtig?

Ja, der Film beschreibt einen bestimmten Moment des Lebens, in dem sich alles verändert. Claire ist alleine, der Sohn steht schon auf eigenen Beinen und ist ausgezogen, die Klinik, in der sie arbeitet, wird schließen, und sie hat keine berufliche Zukunft, weil sie nicht in einer „Geburtsfabrik“ arbeiten möchte. Mit dem Wiederauftauchen von Béatrice geht es um so große Themen wie Mutterschaft, man kann also große Worte finden, für das, was der Film erzählt, aber letzten Endes ist es doch eine sehr einfache Geschichte.

Stimmt es, dass Sie eigentlich lieber die Rolle der Béatrice gespielt hätten?

Ja, das stimmt. Ich habe ja schon die unterschiedlichsten Rollen gespielt, aber komische liegen mir eben besonders. Von meinem Naturell her hätte ich wohl lieber die Béatrice gespielt, aber die Rolle war nun mal für Catherine Deneuve geschrieben, und da ich sehr gerne mit ihr zusammenarbeiten wollte, habe ich mit Freude dann für die auch sehr schöne Rolle der Claire zugesagt.

Es ist sicherlich ungewöhnlich für eine Schauspielerin, eine Hebamme zu spielen. Waren denn die Babys, die man im Film sieht, alle echt, oder wurde hier auch mit animatronischen Puppen gearbeitet?

So eine Rolle ist höchst ungewöhnlich für eine Schauspielerin, und ich hatte zunächst auch große Angst vor der Rolle! Aber wir haben wirklich mit echten Babys gearbeitet, denn dem Regisseur Martin Provost war es wichtig, dass echte Geburten im Film gezeigt werden. In den entsprechenden Szenen war eine echte Hebamme an meiner Seite, die mir genau gesagt hat, was ich zu tun habe. Aber ich habe die Babys dann in Empfang genommen und den Müttern übergeben. Das war schon ein sehr seltsames Gefühl, und ich konnte das nur spielen, indem ich lernte, innerlich sehr kalt zu werden und mich nur auf die gelernten Gesten zu konzentrieren.

Sie haben in Filmen wie „Madame Marguerite“ auch immer wieder ihr Talent für komische Rollen bewiesen. Wofür schlägt Ihr Herz eher, für bodenständige Rollen wie hier oder für auch körperlich anstrengende komische Rollen?

Das ist sehr schwierig zu beantworten, weil diese Rollen so unterschiedlich sind. Jede für sich ist eine Herausforderung. Bei Claire bestand die Herausforderung darin, dass ich mich sehr zurücknehmen und verinnerlicht spielen musste. Marguerite dagegen war eine tragikomische Figur, für die ich auch stark aus mir herausgehen musste.

Neben Catherine Deneuve kommt mit Mylène Demongeot noch eine zweite französische Ikone im Film vor. War das eine charmante Idee des Regisseurs oder ist das in Frankreich ohnehin üblich, so den französischen Leinwandlegenden zu huldigen?

Kino soll die Zuschauer ja auch immer ein bisschen verzaubern. Wenn dann ein Regisseur wie Martin Provost, der sich auf Frauenporträts spezialisiert hat, einen Film dreht, dann ist es ganz natürlich, dass es zu solch einer Hommage kommt.

Sie sind im französischen Kino ein großer Star, ist es für Sie denn noch etwas Besonderes, mit solchen Legenden zusammenzuspielen?

Catherine Deneuve verkörpert schon eine Geschichte des französischen Kinos, an die ich nicht heranreiche! Sie hat unsere Filmgeschichte immerhin schon seit fünfzig Jahren geprägt, das ist doch sehr eindrucksvoll, weswegen es eine Ehre für mich war, mit ihr vor der Kamera zu stehen. Aber es gibt zwischen ihr und ihrer Figur der Béatrice auch einige Parallelen. Wenn sie behauptet, die Tochter einer ungarischen Prinzessin zu sein, obwohl sie nur die Tochter einer Hausmeisterin ist, dann hat das sowohl etwas Irrationales als auch etwas sehr Konkretes. Aber letzten Endes sind wir beide natürlich nur Schauspielerinnen, die ihre Arbeit tun.

Sie hatten noch nie mit Catherine Deneuve zusammengearbeitet. War das wichtig für den Film und ihre Rollen, die sich ja zu Beginn auch kaum kennen?

Es hätte wahrscheinlich nicht viel geändert, wenn wir zuvor schon Filme zusammen gedreht hätten. Es gibt schon einen großen Unterschied zwischen dem Leben, das man führt, und den Filmen, die man dreht. Die Überschneidungen dabei sind eher gering. Ein Schauspieler muss, genau wie ein Musiker, eine Partitur spielen können.

Ist die Partitur beim Film denn eine andere wie beim Theater? Jeanne Moreau sagte einmal, beim Theater spielt man und beim Film lebt man...

Das ist eine schöne Aussage, mit der ich allerdings nicht ganz einverstanden bin. Meiner Meinung nach ist man beim Theater einfach freier, weil man die ganze Zeit während einer Aufführung eigentlich sein eigener Meister ist, bei allem, was man tut.

Der Film thematisiert auch die Entwicklung hin zu dieser Art von Geburtsfabriken. Haben Sie sich mit Hebammen darüber unterhalten, gibt es in Frankreich eine Gegenbewegung zu dieser Entwicklung?

Das ist schon ein Thema in Frankreich. Immer, wenn man wieder vor der Frage steht, eine Klinik zu schließen, gibt es Gegendemonstrationen, denn das ist ein Thema, das Frankreich wirklich stark bewegt.

Interview: Frank Brenner

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