Er ist eine deutsche Komikerlegende. Der 1935 in Dessau geborene Dieter Hallervorden hat in Serien wie „Nonstop Nonsens“, „Die Nervensäge“ oder „Hallervordens Spott-Light“ Fernsehgeschichte geschrieben. Im Kino war er zunächst mit Filmen wie „Didi, der Doppelgänger“, „Didi und die Rache der Enterbten“ oder „Der Experte“ erfolgreich. Mit „Sein letztes Rennen“ oder „Honig im Kopf“ konnte er sich in den letzten Jahren auch als ernsthafter Schauspieler beweisen. In „Rock My Heart“ spielt er nun den zunächst wenig sympathischen Rennstallbesitzer Paul Brenner. Der Film startet bundesweit am 28. September in den Kinos.
trailer: Herr Hallervorden, eine Pferde- und Mädchengeschichte würden die meisten sicherlich nicht direkt mit Ihnen in Verbindung bringen. Waren Sie zunächst auch ein wenig voreingenommen, als Sie das Drehbuch zu „Rock My Heart“ bekamen?
Dieter Hallervorden: Nein, ich habe beim Lesen des Drehbuchs sofort begriffen, dass da sehr viel Potenzial dahintersteckt. Allerdings muss ich dazusagen, dass das Drehbuch, zum Zeitpunkt als ich unterschrieben habe, zu meinen Gunsten noch etwas anders aussah. Es ist aus finanziellen Gründen noch vieles weggelassen worden, dann ist noch einiges, was den Charakter des harten Knochens exponiert, den ich darstelle, für den fertigen Film herausgeschnitten worden. Damit war ich nicht ganz zufrieden. Aber man muss auch ehrlich sein und darf keinen Etikettenschwindel betreiben – denn „Rock My Heart“ ist kein Hallervorden-Film. Ich habe die Rolle gerne gespielt, weil es nicht im Altersheim angesiedelt ist oder um Demenzkranke geht, sondern weil es etwas ganz Anderes ist. Paul Brenner ist kräftig, steht im Leben und ist eigentlich ein Despot. Die Rolle habe ich sehr gerne übernommen, aber die Hauptrollen spielen eben die wunderbar begabte junge Kollegin Lena Klenke und das athletische Pferd.
Laut Ihrem Komikerkollegen W.C. Fields ist es ein absolutes No-Go, mit Kindern oder Tieren zusammenzuspielen...aber Sie haben es hier trotzdem gemacht...
Ja, aber ich wusste schon, auf was ich mich hier einlasse. Das Ergebnis müssen dann am Ende andere beurteilen. Ich spiele in dem Film mal den Konterpart und muss ständig bei allem gegenhalten. Am Ende stellt man dann doch fest, dass auch in diesem harten Knochen ein weicher Kern steckt. Aber es ist keine Rolle, die sofort sämtliche Sympathien auf sich zieht.
Diese Gegensätzlichkeit zu Ihren bisherigen Rollen dürfte Sie dann auch zusätzlich gereizt haben, hier mitzuwirken?
Ja, einfach mal jemanden zu spielen, den man nicht von Vorneherein liebhaben muss und den man erst einmal kennenlernen muss, war für mich sehr reizvoll. Es ist für mich auch immer schön, dem Publikum zu zeigen, dass ich eine gewisse Bandbreite habe und auch mal etwas Anderes spielen kann, was man nicht auf den ersten Blick mit mir in Verbindung gebracht hätte.
Hatten Sie zuvor schon einen Draht zu Pferden oder kostete es Sie Überwindung, mit Ihnen zu drehen?
Ich bin generell Tierliebhaber, mit Pferden hatte ich bislang nichts am Hut, ich bin kein Pferdenarr, ich stehe eher auf Hunde. Aber ich habe keinerlei Berührungsängste mit Pferden, ich habe ja auch früher schon einmal mit Pferden im Film zu tun gehabt, von daher gab es überhaupt keine Probleme.
Regisseur Hanno Olderdissen hat hiermit erst seinen zweiten Langfilm gedreht. Arbeiten Sie gerne mit Nachwuchstalenten, die vielleicht noch einen etwas unverbrauchteren Blick auf die Branche haben?
Allerdings! Ich glaube, „Sein letztes Rennen“ war damals auch der erste größere Film von Kilian Riedhof. Ich bin immer gerne bereit, mich hinter Nachwuchstalente zu stellen und ihnen zu helfen, die ersten kleineren Erfolgsmomente in ihrem Beruf zu erleben. Auch mit Hanno Olderdissen war es eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Wir mussten aber zuerst zueinander finden. Ich glaube, er war zu Anfang gar nicht so sehr davon begeistert, dass Produzent Boris Schönfelder mir die Rolle antragen wollte. Wir haben dann, auch auf meine Bitte hin, Probeaufnahmen gemacht, in denen ich meine Sicht auf die Rolle demonstrieren konnte. Eine leichte Geburt hätte anders ausgesehen, aber das Ergebnis zählt, und da sind wir die richtigen Wege gegangen.
Wollten Sie dann im Vorfeld die bisherigen Arbeiten Ihres Regisseurs erst einmal sehen? Ist Ihnen so etwas wichtig, wenn derjenige sich noch keinen Namen gemacht hat?
Nein, ich mache das anders. Ich schaue mir nicht an, was vielleicht schon mal von demjenigen fürs Fernsehen gemacht worden ist. Ich schaue mir im persönlichen Gespräch über meine Rolle an, wie sich derjenige vermittelt. Bei den Proben selbst achte ich dann darauf, wie er mich zu führen versucht, wie er versucht, Dinge einzuengen oder mal ganz anders spielen zu lassen. Daran merke ich dann, wieviel Sensibilität derjenige hat und ob das überhaupt eine Arbeitsehe ist, die man eingehen sollte.
Hauptdarstellerin Lena Klenke ist eine überaus talentierte Nachwuchsschauspielerin. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr?
Mit Lena Klenke habe ich sehr, sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben uns von Anfang an verstanden, akzeptiert, gemocht. Wir haben eine ziemliche Kongruenz in unserer Berufsauffassung und im Timing. Das war eine sehr erfreuliche Zusammenarbeit. Ich glaube, man kann bei ihr nicht mehr von Nachwuchsschauspielerin reden. Sicherlich, sie ist noch jung und hat noch nicht viele große Schritte gemacht, aber „Rock My Heart“ wird sie weit nach vorne bringen, und zwar zu recht!
Mit dem Produzenten Boris Schönfelder hatten Sie bei „Sein letztes Rennen“ bereits zusammengearbeitet. Sehen Sie selbst das auch so, dass dieser Film einen späten Wendepunkt in Ihrer Karriere markiert?
„Sein letztes Rennen“ war ein entscheidender Wendepunkt, und ich bin dem Kilian Riedhof und auch Boris Schönfelder im Nachhinein bis an mein Lebensende dankbar, dass sie mich in dieser Rolle gesehen und mich dafür besetzt haben. In „Sein letztes Rennen“ – dieser Paul Averhoff, das bin ich ja selbst! Diese Art zu sagen, ich setze mir ein Ziel und gegen alle Widersprüche setze ich das durch, kämpfe mich durch. Mein Lebensmotto ist ja: „Immer mindestens einmal mehr aufstehen als hinfallen.“ Also langen Atem beweisen, das Ziel nie aus den Augen verlieren. Dieser Film, das war für mich der Wendepunkt überhaupt, und ich kann Ihnen sagen, Til Schweiger hätte mich niemals für die Rolle des Amandus in „Honig im Kopf“ besetzt, wenn er nicht „Sein letztes Rennen“ vorher gesehen hätte. Für mich ist „Sein letztes Rennen“ der Film meines Lebens, dem habe ich viel zu verdanken.
In „Rock My Heart“ sagt Ihre Figur Paul Brenner einmal, dass man es sich nie verzeiht, wenn man aus Angst etwas nicht macht, was man eigentlich könnte. Haben Sie sich immer alles zugetraut oder gibt es Dinge, über die Sie sich im Nachhinein ärgern, sie nicht gemacht zu haben?
Natürlich gibt es solche Dinge. Was ich schon immer einmal machen wollte, und jetzt demnächst endlich einmal nachholen will, ist ein Fallschirmsprung. Aber ansonsten habe ich eigentlich immer gemacht, was ich wollte, und alles ausprobiert. Ich habe dann immer recht schnell gemerkt, ob das etwas ist, was ich weiter ausbauen sollte, oder ob es etwas war, was mir nicht so viel Spaß gemacht hat. Aber dazu muss man es ja vorher ausprobiert haben! Ich wäre vielleicht ein begnadeter Stabhochspringer geworden, wenn es das damals, als ich zwanzig war, schon gegeben hätte.
Sie leiten seit fast 60 Jahren ohne Subventionen „Die Wühlmäuse“, vor einigen Jahren ist noch das Schlossparktheater hinzugekommen, wo Sie auch immer wieder auf der Bühne stehen. Sind Sie ein Workaholic, der all diese Arbeit braucht, um zu funktionieren?
Ja, ich bin ein Mensch, der von Aktionen lebt. Ruhig rumzusitzen ist nicht so meine Sache. Ich hatte ja den Herzenswunsch, den „Wühlmäusen“ wieder ein eigenes Ensemble zu geben, wie ich das vor 57 Jahren, als es gegründet wurde, auch gemacht habe, und das ist gelungen. Mein Herzenswunsch ist in Erfüllung gegangen, und wir haben bombige Kritiken. Kommt einfach mal nach Berlin ins Kabarett-Theater „Die Wühlmäuse“ und schaut euch dort „Ver(f)logene Gesellschaft“ an, es lohnt sich. Das ist Satire, wie sie heutzutage sein muss.
Ein Fallschirmsprung würde Sie noch reizen – gibt es auch noch berufliche Wünsche, Rollen, die Sie gerne mal spielen würden? Mit dem eigenen Theater an der Hand könnten Sie ja vielleicht einfach mal machen, was Sie schon immer gereizt hat...
Sicherlich, das könnte ich machen. Aber für mich ist es nur wichtig, dass dieses Schlossparktheater wieder existiert, und dass es überlebt. Dass ich dort selbst ab und zu spiele ist ein sehr schöner, aber sekundärer Nebeneffekt. Natürlich habe ich noch einige Rollen im Kopf, die mich reizen würden und an die ich mich gerne mal wagen würde, aber das würde ich jetzt nicht vorher verraten.
Demnächst wird man Sie im Kino in einem aserbaidschanischen Film, „Death with Vengeance“ von Oktai Mir-Kasimov sehen können. Wie ist es denn dazu gekommen?
Der Regisseur und Autor hatte meine Agentur angerufen und gefragt, ob ich Interesse hätte, die Rolle zu spielen. Das liegt mittlerweile auch schon fast wieder drei Jahre zurück. Es ist auch keine besonders große, aber eine wichtige Rolle. Ich habe mich mit den Leuten dort sehr gut verstanden. Außerdem habe ich gemerkt – das Kamerateam war mit sehr vielen Russen besetzt – wie schnell die Sprache wiederkommt, die ich als Siebzehnjähriger gelernt habe. Das hat Spaß gemacht!
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