Die Vorstellung in der Kölner Wachsfabrik hat begonnen, die Tänzer zeigen die ersten Figuren, und schon wird gelacht. Nun gut, man kann das komisch finden, aber schon wieder ist das Lachen zu hören. Das war jetzt eigentlich nicht lustig, aber gelacht wird trotzdem. Jeder hat eben ein anderes Verständnis von Komik. Aber da, eine Drehung des Tänzers und wieder das Lachen. Da ist offenbar jemand wild entschlossen, die Vorstellung kaputtzulachen. Einige Tage später eine Inszenierung in der Halle Kalk, wieder sitzt da jemand, der alle zehn Sekunden meint, lachen zu müssen. Das Lachen ist nicht nur in Tanzproduktionen zur Plage geworden, auch im Theater begegnet man immer häufiger jenen Besuchern, die, komme was da wolle, lachen müssen.
Tatsächlich kann man bald schon diverse Formen des Lachens voneinander unterscheiden. Da gibt es zum Beispiel das vorauseilende Lachen, anzutreffen bei Produktionen junger Künstler, denen man offenbar nicht viel zutraut, so dass ein Teil des Publikums gar nicht erst abwarten möchte, bis sich eine Szene auf ihren Höhepunkt hin entwickelt hat; zuvor schon ist ein schnelles, nervöses Lachen zu vernehmen. Das aufmunternde Lachen ist ihm verschwistert, klingt aber anders, kommt breiter, ist nicht so hastig, eher selbstgefällig, nach dem Motto „Wir werden das Kind schon schaukeln“. Dazu passt dann am Ende auch ein hysterischer, begeisterter Applaus, der demonstrativ all jene einschüchtern soll, die diese Begeisterung nicht zu teilen vermögen.
Besonders unangenehm stellt sich das verstehende Lachen dar. Hier lässt jemand durchklingen, dass er oder sie so helle ist, schon alle Anspielungen und Bezüge, auf die eine Szene hin choreographiert wurde, begriffen zu haben, während wir noch gar nicht Atem holen konnten, um uns auch daran zu amüsieren. Manchmal beschleicht einen allerdings auch die Vermutung, dass in einer Szene so viel Doppelbödigkeit gar nicht enthalten ist, sondern sich nur jemand als intellektueller Überflieger ausweisen möchte.
Mitunter verbirgt sich der aggressive Impuls des Lachens auch hinter guter Laune. Etwa dann, wenn eine Clique von Zuschauern schon so richtig gut drauf ist und ihre Welle fröhlicher Ausgelassenheit in die Vorstellung schwappen lässt, so dass man gerne und oft lacht, aber gar nicht die Akteure auf der Bühne meint, sondern in einer besonderen Form von Kumpanei die Inszenierung als Hintergrund für die Gaudi in der eigenen Gruppe missbraucht.
So outen sich manche Viellacher ungewollt als theaterunerfahrene Spezies. Zwar gibt es Theaterleute, die schenkelklopfend das Geschehen auf der Bühne begleiten, da sie offenbar demonstrieren wollen, dass die Akteure ihre Kollegen sind und sie möglicherweise sogar an den Proben zur Produktion teilgenommen haben und nun allen zeigen möchten, dass sie aus überlegenem Insiderwissen heraus lachen. Aber die häufigsten Permanent-Lacher sind doch jene Theaterbesucher, die sich vornehmen, dass dieser Abend – für den sie ja bezahlt haben – so richtig gelungen sein soll. Verbissen wollen sie auf ihre Kosten kommen, egal, was die da vorne verzapfen. Spaß soll es machen. Bei solchen Theaterbesuchern beschleicht einen dann mitunter der Verdacht, dass sie mit der Wahl für eine Tanz- oder Theaterproduktion nur einen verunglückten Comedy-Abend erhalten haben.
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