Alexandra Westmeier, geboren 1973 in Russland, studiert Schauspiel und Regie in St. Petersburg, danach arbeitete sie vor allem für Theater und Fernsehen. Seit 2001 lebt sie in Deutschland. „Allein in vier Wänden“ ist ihr erster Kinofilm.
trailer: Frau Westmeier, wie kamen Sie auf das Thema des Films?
Alexandra Westmeier: Im Anschluss meines Regiestudiums arbeitete ich beim russischen Fernsehen in Tscheljabinsk. Eine von meinen Reportagen war über Jugendkriminalität in Russland. Wir drehten im Kindergefängnis. Am Ende des Drehs hatte ich noch Zeit, mich mit den Kindern zu unterhalten. Auf die Frage „Wie ist dein Leben hier?“ antwortete ein Junge: „Ich mag es hier, es ist besser als zu Hause“. Ich war schockiert, dass diese Kinder lieber hinter Gittern leben wollen als zu Hause. So entstand die Idee für den Dokumentarfilm „ Allein in vier Wänden“. Letztendlich dauerte es von der Idee über die Finanzierung bis hin zur Drehgenehmigung sechs Jahre.
Wenn am Anfang ein Junge erzählt, er sitze zweieinhalb Jahre, weil er geklaut hat, und direkt danach ein anderer, er hätte drei Jahre für dreifachen Mord bekommen, dann kann man das in seiner Beiläufigkeit kaum fassen. Wie sind Sie mit den krassen Schilderungen der Kinder persönlich umgegangen?
Es war natürlich sehr schwierig, die Schilderungen ihrer Taten nicht zu sehr an sich heranzulassen, vor allem aber, sie nicht dafür zu verurteilen. Meine Art, damit umzugehen, war, sie als Kinder zu sehen und nicht als Täter. Nur so konnte ich überhaupt diesen Film machen.
Die meisten Kinder wirken sehr sympathisch. Fühlten Sie sich mitunter dennoch bedroht?
Ich kann mich noch gut an den dritten Drehtag im Kindergefängnis erinnern: Die Kinder wollten einen Deal mit unserem Produktionsfahrer machen. Ihr Plan war es, unseren deutschen Kameraassistenten zu entführen, um Lösegeld zu verlangen. Das Geld wollten Sie dann mit dem Fahrer teilen, wenn er ihnen hilft. Der Plan ging natürlich nicht auf ... Es sind auch Kinder mit kriminellen Gedanken. Das hat ein wenig gedauert, Vertrauen zu diesen Kindern aufzubauen, aber mit der Zeit hat sich eine Art Freundschaft entwickelt. Bis heute bin ich mit einigen Kindern in Kontakt und versuche, sie zu begleiten und zu unterstützen.
Vieles des Gesagten trifft einen sehr unvermittelt. Warum haben Sie sich entschieden, auf einen erklärenden Off-Kommentar zu verzichten?
Wir haben absichtlich keinen Off-Kommentar benutzt oder Erwachsene gefilmt. Betreuer hätten lediglich von oben herab die Dinge betrachtet. Wir wollten die Verhältnisse aus den Mündern der Kinder hören, ihre Welt durch ihre Augen betrachten.
Emotional scheinen die Kinder auf sich gestellt zu sein. Gibt es dort keine psychologische Betreuung und auch keine Nachsorge für die Entlassenen?
Ich war wahrscheinlich die erste Person, die Fragen an diese Kinder gestellt hat: Warum bist du hier? Was ist passiert? Und was denkst du über deine Tat? Sie haben einen geregelten Tagesablauf im Gefängnis, aber leider gibt es keine psychologische Betreuung. Nach der Entlassung sind sie wieder auf sich allein gestellt, auch hier gibt es niemanden, der sie psychologisch betreut oder gar auf ihrem Weg ein Stück begleitet. Meistens gehen sie wieder zu ihren Banden zurück und versuchen, irgendwie zu überleben. Das ist das traurige Schicksal dieser Kinder.
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