Die Zukunft des Wohnens ist der Pilz. Es gibt da diese kleinen blauen Wichte, die leben und singen gemeinsam im Wald in Häusern aus ausgehöhlten Pilzen. Für die Bepilzung des menschlichen Bauens gehen wir andere Wege: Wir nehmen Pilzmyzel (also die,Wurzeln‘), lassen sie in die bewährte Ziegelsteinform wachsen, trocknen sie und haben – nun, Ziegelsteine. Aber eben aus Schwammerln.
2014 hat ein Architekturwettbewerb bewiesen, was Myzelziegel können: Sie sind biologisch abbaubar, nachwachsend, weniger energiehungrig in der Herstellung und bestehen vor allem aus Agrarabfällen – außerdem kann man aus ihnen einen robusten, zwölf Meter hohen Turm namens Hy-Fi bilden. Und bereits 2011 wurde eine Milchfaser erfunden. Sie ist formbeständig, reißfest und wird ebenfalls aus Abfällen hergestellt. Allein in Deutschland werden jedes Jahr 1,9 Mio. Tonnen Milch vernichtet. Man möchte meinen, dass das für eine ganze Stange Kleider reichen sollte.
Müll im Überfluss
Der Auftrag ist klar: Wir sollten Müll reduzieren, wo es geht. Wo es nicht geht, sollten wir recyceln, upcyceln, verwerten. Ideen gibt es viele: Baustoffe aus Agrarmüll machen, kompostierbare Produkte, wiederverwertbare Produkte. Der Ansatz Cradle to Cradle besagt sogar: Müll existiert nicht, alles kann (wieder-)verwendet werden. Und doch ist es recht unwahrscheinlich, dass man bei einem Einkaufsbummel eine Jacke mit Kapok-Pflanzendaunen oder eine Hose aus Eukalyptusfasern finden wird.
Baumwolle hat mehr Durst als der durchschnittliche Besucher eines Heavy-Metal-Festivals. Die Plastikinseln in den Ozeanen wachsen langsam zur Größe von Kontinenten heran, Mikroplastik wurde vom Mount Everest bis zum Meeresgrund überall nachgewiesen und Müll zu verbrennen, trägt auch nicht gerade zur Erfüllung der Klimaziele bei.
Innovation oder Stillstand
Warum hält die Menschheit dann immer noch an Müllstoffen wie Beton, Baumwolle und Plastik fest?
Häufig lautet die Antwort: Weil es sonst zu teuer ist. Das stimmt nur teilweise, denn es kommt darauf an, wie man „zu teuer“ definiert. Gerade für Konzerne ist das nur ein anderer Ausdruck für „die Gewinnmarge ist nicht groß genug“. Schließlich würde mit steigender Nachfrage nach Alternativen auch der Produktionspreis sinken. Tatsächlich ist der Preis aber ein Hemmnis fürs Recycling. Das Problem sind oftmals Verbundstoffe. Es nützt nichts, wenn der Einwegkaffeebecher zu 80 Prozent recycelbar ist, wenn sich die übrigen 20 Prozent nicht ohne unfassbaren Aufwand trennen lassen.
Zwei andere Gründe bleiben noch, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen: Einerseits „Die neuen Stoffe sind halt nicht erprobt genug“ und andererseits „Wir haben die Plastiktüte eben erfunden, weil der Jutesack nicht gut genug war“. Es ist wahr: Plastik ist haltbarer als Kork. Man kann behaupten, dass es auf der Welt mehr 50 Jahre alte Gegenstände aus Plastik gibt als aus Kork. Jedoch waren die meisten dieser Gegenstände überhaupt nicht dafür gemacht, 50 Jahre lang zu halten. Entsprechend kann man den neuen Materialien eine Chance geben. Damit hätte sich auch das erste der beiden Argumente erledigt. Also kann eine Lösung für unser Müllproblem lauten: Seid mutig! Probiert Neues aus!
Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn die Deutschen sind nicht unbedingt für ihre Risikofreude bekannt. Man kann allerdings immer noch auf die Neugier des Auslands hoffen. Wenn da nicht noch eine grundlegende menschliche Eigenschaft wäre, die Einweg- und Wegwerfprodukte erst ermöglicht hat: die Bequemlichkeit.
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