Derzeit tourt zwischen New York, Berlin und Amsterdam eine Überblickschau zur Avantgarde-Bewegung ZERO, die um 1960 von Düsseldorf aus tätig war und mittlerweile als Kunstrichtung von Weltrang gewürdigt wird. Die drei Protagonisten von ZERO waren der im vergangenen Jahr verstorbene Otto Piene sowie Heinz Mack und Günther Uecker, die auch weiterhin engagiert an ihren künstlerischen Utopien arbeiten. Dabei greift für den 1930 geborenen Uecker, der an der Düsseldorfer Kunstakademie als Professor unterrichtet hat und in der Landeshauptstadt lebt, der Entwurf von ZERO zu kurz. Günther Uecker gelingt es bis heute, wesentliche Prinzipien der Kunst ab Ende der 50er Jahre (Rücknahme der Farbigkeit, Strukturierung durch Raster, Arbeit mit Licht und Bewegung) mit einer handwerklichen, dabei sinnlichen Form und mit präzisen existenziellen Aussagen zu verbinden.
Kennzeichnend für sein ganzes Werk ist die Verwendung von Nägeln. Sie kommen schon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre vor: als flirrend lineare Elemente in den expressiven monochromen Bildern oder als unruhig bewegte Bündel, die Objekte konstituieren. Seither verwendet Uecker den Nagel in den verschiedenen Medien in unterschiedlichen Zusammenhängen, und zwar als formale Struktur und als ausdrucksstarke, energiegeladene Handlung und – auf der inhaltlichen Ebene – als Metapher für körperliche Verletzung und, andererseits, Behauptung und Widerstand. Die Reliefs, in die er die Nägel in Reihungen, als Spiralen oder Kreise geschlagen hat, handeln mit Licht und Schatten; sie sind kontemplativ und dann wieder leidenschaftlich und voll physischer Präsenz. In der Neigung des Winkels lassen sie mit Wind assoziieren, der über ein Feld streift – überhaupt bringt sein ganzes Werk die Beschäftigung mit der Schöpfung zum Ausdruck. Er arbeitet mit Baumstämmen wie auch mit Schlacke und Asche; er hat Sandmühlen geschaffen, bei denen eine Art Pflug im Zentrum Kreise in Erdflächen zieht.
Und doch werden wir Uecker auch damit noch nicht gerecht, zu vielschichtig ist sein Werk, in das er sich anfänglich auch mit Aktionen im öffentlichen Raum eingebracht hat. Oder er hat Reihen von Nägeln in Stühle oder Klaviere oder in einen Fernseher geschlagen zu Zeiten, als dieser als Massenmedium an Dominanz gewann. Er versteht seine Werke von Anfang an als Statement zur Verfasstheit der Gesellschaft und wie es uns dort ergeht. Damit gehört er zu den wichtigen politischen Künstlern über Deutschland hinaus, die ein Vokabular für Betroffenheit finden ohne zu illustrieren. Konsequent ist, dass er sich auf die Kulturen fremder Völker einlässt, er reist dorthin und arbeitet mit den ansässigen Künstlern… Wie vielfältig dieses Werk ist, zeigt jetzt sein „Heimspiel“ in der Kunstsammlung NRW mit etlichen raumgreifenden Hauptwerken und einem Überblick über die Nagelreliefs. „Der Nagel wird zum Fetisch, zur Waffe, zum Instrument, zum Zeichen“, hat Wieland Schmied schon 1972 geschrieben. „Eine ‚Sintflut der Nägel‘ überschwemmt alles“. Und das Beste ist: Ueckers Vitalität ist ungebrochen.
„Uecker“ | 7.2.-10.5. | Kunstsammlung K20 Grabbeplatz in Düsseldorf | 0211 838 12 04
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