Die Werkschau zu Piet Mondrian, die die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf konzentriert inszeniert hat, ist angenehm zu erleben und doch etwas provokativ. In ihrem Konzept vergegenwärtigt sie den Avantgarde-Gedanken des berühmten holländischen Malers (1872-1944) mit den Schritten vom Gegenständlichen in die Abstraktion und die Konkrete Kunst, die er zunächst gemeinsam mit der Gruppe De Stijl vollzogen und für seine späteren Entwicklungen als Neoplastizismus bezeichnet hat. Deutlich wird sein Interesse an Spiritualität und Transzendenz, die Beschäftigung mit dem Licht und den Farbklängen – und wie all das zusammenhängt.
In der Ausstellungshalle am Grabbeplatz sind die Bilder in zusammengehörigen Werkgruppen chronologisch präsentiert, aber sie werden auch allein auf den Sichtachsen hervorgehoben. Der Clou sind die Paare aus gegenständlichen und ungegenständlichen Bildern. Dazu kommen die Durchblicke in der Ausstellungsarchitektur, die weitere Bezüge herstellen. Plötzlich gewinnen die frühen, im Duktus der Haager Schule entstandenen Landschaftsdarstellungen an tieferer Bedeutung. Sie deuten Mondrians künftiges Interesse an Strukturen und am Raster aus Vertikalen und Horizontalen an, kulminierend in der Malerei von Geäst, das die freien Striche und Linien der ab 1912 entstehenden Bilder vorwegnimmt. Und schon die Leuchttürme und Kirchen betonen lange Vertikalen, teils in Verbindung mit horizontal ausgerichteten Farbfeldern.
Mondrian komponiert in einem präzisen Rhythmus, er wendet sich dazu den Primärfarben in einem Gerüst schwarzer Stege zu, und all das erschließt sich in der Ausstellung anhand etlicher Meisterwerke aus internationalen Sammlungen und besonders dem Museum in Den Haag. Deutlich wird auch die Rolle der Ortswechsel für Mondrian mit den dortigen Beeinflussungen: durch den Kubismus in Paris, wo er 1911-1914 und dann ab 1919 lebt, und, mittlerweile ganz abstrakt, ab 1940 in New York, wo ihn der Boogie Woogie mitreißt: Jetzt ergeben seine gegenstandsfreien, schon im Zusammenspiel der Farbfelder und Farbstreifen anregenden Bilder und Bildentwürfe richtig Sinn.
Mondrian. Evolution | bis 12.2. | Kunstsammlung NRW: K20, Düsseldorf | 0211 838 12 04
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Himmel und Erde
„Lygia Pape – The Skin of All“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/22
Abstraktion der Geschwindigkeit
Georges Braque's Kubismus in Düsseldorf – Kunst in NRW 11/21
Ein neuer Blick auf die Kunst
Eine „ex-zentrische Moderne“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/19
Seltene Technik
Anni Albers im K20 in Düsseldorf – Ruhrkunst 08/18
Zwei Farben
Carmen Herrera in Düsseldorf – Kunst in NRW 03/18
„Wir sehen die Kunsthalle auch als eine Art von Anti-Museum“
Kunsthallen-Leiter Gregor Jansen und Kuratorin Anna Lena Seiser über „Akademie [Arbeitstitel]“ – Sammlung 11/17
Ferner Surrealismus
„Art et Liberté“ in Düsseldorf – Ruhrkunst 09/17
Bis auf die Haut
Otto Dix in Düsseldorf – Ruhrkunst 04/17
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23