Nicht erst seit „Das Wunder von Bern“ gehört Peter Lohmeyer zu den beliebtesten und besten Darstellern hierzulande. Der 1962 im sauerländischen Marsberg geborene Schauspieler wirkte schon in über 100 Filmen mit, von „Bunte Hunde“ über „Das Kondom des Grauens“ bis hin zu „Soul Kitchen“ oder der Neuverfilmung von „Heidi“. Darüber hinaus ist er häufig im Fernsehen zu sehen oder geht bald mit einem Bukowski-Song-Abend auf Tournee. In Adolf Winkelmanns neuem Film „Junges Licht“ ist er ab dem 12. Mai wieder auf der großen Leinwand zu sehen, in einer Verfilmung des Ruhrgebiet-Romans von Ralf Rothmann.
trailer: Herr Lohmeyer, Sie sind ein Star aus der Region und eng mit dem Ruhrgebiet verbunden. Ist es für Sie etwas Besonderes, einen Film über den Pott zu drehen?
Peter Lohmeyer: Ja, es ist für mich in dem Sinne etwas Besonderes, weil ich es wahnsinnig gerne mache. Es gibt nicht sonderlich viele Heimatstücke in dieser Art, da machen andere Bundesländer, insbesondere die Bayern, deutlich mehr. Wenn es eine Qualität hat und aus der Region kommt, aus der auch ich stamme, dann habe ich da immer große Lust drauf. Hinzu kommt, dass es sich anfühlt, als hätte ich mit Adolf Winkelmann schon hundert Filme gemacht, dabei war es unser erster gemeinsamer Film! Wir haben beide in Dortmund gelebt, und ich habe gegenüber von seinem Büro in einer Eisdiele gearbeitet. Hier war schon der Roman von Ralf Rothmann etwas Besonderes, sehr gute deutsche Literatur, die nun in meiner Heimat verfilmt wurde – das war dann in der Summe auch wirklich etwas Besonderes für mich!
Wie kommt es, dass Sie Adolf Winkelmann schon so lange kennen und nun erst beruflich zusammengefunden haben?
Wir kennen uns nun wirklich schon länger, aber man kann sich einem Regisseur ja auch nicht aufdrängen, es muss schon irgendwie passen. Aber ich bin da drangeblieben, immer wenn ich ihn gesehen habe, habe ich den Plan, an einem Projekt gemeinsam zu arbeiten, wieder angesprochen. Wir haben für das Dortmunder U immerhin schon gemeinsam einen Kurzfilm für eine Installation realisiert. Meine Figur in „Junges Licht“ ist nun nicht die einfachste, damit muss man ganz sensibel umgehen, was uns vielleicht auch deswegen gelungen ist, weil wir aus der gleichen Region stammen und schnell auf einer Linie lagen.
Ihre Figur des Nachbarn ist sehr zwielichtig, bleibt bis zum Ende rätselhaft. Haben Sie sich dafür eine eigene Geschichte zurechtgelegt, um sie plastischer werden zu lassen?
Im Roman und in der ersten Drehbuchfassung war die Figur viel plastischer und alles viel deutlicher. Gorny ist da ganz klar ein Pädophiler. Wenn wir das von Anfang an so deutlich gemacht hätten, wäre die Figur zu negativ eingeführt worden, was mir keinen Raum mehr gegeben hätte, um seine Geschichte zu erzählen. Adolf und ich haben uns dann gemeinsam dazu entschieden, allzu deutliche Szenen aus dem Drehbuch zu streichen. Ich favorisiere es, etwas schmal zu erzählen und dabei ein Geheimnis zu bewahren, weil es primär nicht um diese Figur geht. Die Hauptfigur ist die Zeit, die Reise in eine vergangene Zeit, was über den Jungen und seine Familie erzählt wird. Und zu dieser Zeit gehören auch merkwürdige Typen, jeder von uns kennt die, egal wo er aufgewachsen ist. Typen, die einem etwas verboten oder die einem etwas geschenkt haben, die einfach irgendwie seltsam waren. Zu diffus hätte es auch nicht werden dürfen, insofern war die Rolle wirklich eine Herausforderung, zumal ich nur fünf Drehtage hatte, in denen ich die Figur gestalten musste.
Im Film gibt es ständig willkürliche Wechsel zwischen Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen und zwischen Scope und Vollbild. Wurde über diese formalen Aspekte während des Drehs gesprochen?
Ich bin jemand, der von diesen Dingen sehr viel mitbekommt, weil ich mich auch für die Kameraarbeit interessiere. Filterwechsel gibt es immer wieder beim Drehen, und das war hier auch nicht zeitraubender als sonst, insofern wurde es nicht explizit thematisiert. Ich interessierte mich aber dafür und war, nachdem ich den Film dann gesehen hatte, erstaunt über den Mut, das so willkürlich zu machen.
Haben Sie selbst familiäre oder private Verbindungen zum Bergbau?
Familiär nicht, aber ich habe einmal für ein paar Wochen als Ferienjob auf einer Kokerei gearbeitet. Und ich hatte Freunde, deren Väter auf der Zeche waren, mehr allerdings nicht. Die Zeit auf der Kokerei war wirklich harte körperliche Arbeit. Das sind ja Hochöfen, bei denen oben der Kohlenstaub hineingeschüttet und dann zu Koks gebrannt wird. Dazu müssen die Öfen geschlossen werden, das erledigten Maschinen, aber wir mussten die Deckel mit Schlacke abdichten. Als Hilfsarbeiter hatte ich damals noch nicht einmal feuerfeste Schuhe und bin bei dieser enormen Hitze mit den Schuhen beinahe festgeklebt. Einige meiner polnischen Kollegen hatten damals Hühnchen in Alufolie dabei, die sie dann auf den Boden gelegt haben, und zur Mittagspause war das Hühnchen dann schön gar. Und ich hatte nur eine blöde Stulle dabei (lacht).
In „Das Wunder von Bern“ haben Sie mit Ihrem Sohn Louis Klamroth zusammengearbeitet, hier ist der talentierte Kinderdarsteller Oscar Brose in den meisten Szenen Ihr Partner. Wie war im Vergleich nun die Zusammenarbeit?
Ein größeres Vertrauen als zu seinem Sohn kann man ja gar nicht haben. Andererseits hat Oscar vieles von dem, was er im Film spielen musste, im wirklichen Leben noch gar nicht erlebt – angefangen von der Zeit, in der alles spielt, bis hin zu den Aspekten der Sexualität. Da braucht es einen sehr offenen Darsteller, der Spaß an der Sache hat. Das hat mich schon sehr oft an Louis erinnert, auch weil beide im Film Lederhosen tragen, aber wir sahen damals nun mal so aus. Das Schöne an Oscar ist, dass er zuhören kann. Er war immer hoch konzentriert und wollte immer noch weiterarbeiten, auch wenn er eigentlich schon Drehschluss hatte. Ich wünsche ihm das Gleiche wie meinem Sohn, dass er den Film zunächst einmal als ein tolles Praktikum nimmt, nun aber erstmal seine Schule abschließt, und sich danach dann entscheidet, ob er auf eine Schauspielschule gehen oder studieren möchte. Ich glaube, er würde viel vom Leben verlieren, wenn er nun einen Film nach dem anderen drehen würde.
Sie selbst sind ungeheuer produktiv für Film, Fernsehen, Hörbücher und zwischendurch immer wieder auch Theater. Wo liegen denn Ihre Präferenzen?
Ich entscheide mich immer nach der Geschichte, egal, was es ist. Meine Präferenz liegt darin, ob es sich lohnt, eine Geschichte weiter zu erzählen. Wenn Angebote gleichzeitig kommen, kann ein Fernsehfilm interessanter sein als ein Kinofilm oder ein Theaterstück interessanter als ein Fernsehfilm, wie auch immer. Solange ich den Luxus habe, mich dafür entscheiden zu können, nehme ich mir das auch heraus. Denn ich empfinde mich als Künstler und habe da einen sehr hohen Anspruch, an das was ich tue und anfasse. Demnächst gehe ich mit Bukowski auf Bühnentournee, wir sind gerade in Endproben, das ist für mich auch wieder etwas Neues. Das Programm enthält 22 Songs, und bei 16 davon bin ich dabei, zehn singe ich sogar allein. Aber ich hatte Lust darauf, weil Bukowski auch in meinem Leben eine Rolle gespielt hat. Da ist natürlich die Zeit gesperrt, und es wird der eine oder andere Film dadurch wegfallen. Danach werde ich Bassa Selim in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ an der Oper in Lyon spielen und dann ein Engagement am Theater in Salzburg übernehmen – das wird dieses Jahr wohl eher ein Bühnenjahr für mich. Wenn ich dann irgendwann in das Alter komme, in dem ich mir denke, ich muss jetzt irgendwas mit Frau Pilcher machen, dann ist es auch schön, wenn man in Irland oder auf irgendeiner Südseeinsel drehen kann. Dann geht es mir wahrscheinlich nicht mehr so sehr um die Geschichte, sondern eher darum, dass ich mir ein gutes Buch mitnehme und am Strand liegen kann, bis mich jemand an den Set ruft, wenn dann die Dreharbeiten beginnen.
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