Neid und Geiz sind zwei Seiten einer Medaille. Oder waren es Geiz und Gier? Ja, stimmt, so herum war es. Denn wer besitzt, der mag geizig und gierig sein, während Neid denjenigen vorbehalten ist, die zu faul sind, gierig zu sein, und zu schlecht mit Geld umgehen können, als dass sie glaubwürdigen Geiz an den Tag legen könnten. Denn wären sie geizig und gierig, wären sie ja nicht arm und würden nicht voller Neid unverschämt und unverhohlen fordern, von unsereins beschenkt zu werden.
Dabei sind wir, wohlgemerkt, nicht zwingend geizig und gierig.
Freigiebige Personalkürzungen
Ich schrieb, wer besitzt, der mag so sein. Aber die meisten sind es – noch wohler gemerkt! – nicht. Zumindest nicht diejenigen, mit denen ich mich umgebe. So ist mein Konzern äußert freigiebig. Die letzten Bonuszahlungen ans Management waren nicht vertraglich zugesichert. „Ach Wolfgang“, habe ich zu meinem Chef gesagt, „das ist doch echt nicht nötig.“ – „Doch, doch“, hat er daraufhin entgegnet, „Leistung muss belohnt werden. Wenn wir schon eine halbe Million einsparen, dann können wir davon auch einen Teil an unsere tüchtigsten Mitarbeiter abgeben.“ Ja, denn der Wolfgang weiß: Nur wer gibt, der kann auch bekommen. Aus meiner Perspektive stimmt das ja auf jeden Fall: Mit meinem Personalkürzungsplan habe ich dem Konzern nun ja auch quasi eine halbe Million beschert und dafür fünfzigtausend erhalten.
Bin ich nun neidisch? Bin ich empört zu Wolfgang emporgefahren und habe gesagt: „Du verdienst jetzt eine halbe Million mehr mit meiner Arbeit, aber ich bekomme davon nichts? Nein, natürlich nicht. Ich habe etwas geleistet. Natürlich verdiene ich auch ein Gehalt. Dieses verdiene ich. Den Bonus hingegen habe ich mir erarbeitet, aber nicht erbettelt. Selbst bin ich auch freigiebig. Meiner Familie gönne ich nur das Beste. Ich behalte mein Geld nicht für mich allein für mich. In meinem Haus wohne ich ja nicht alleine. Der Pool ist vor allem für meine Kinder da, wenn sie in den Sommerferien von ihrem Schweizer Internat wiederkehren. Wer den Schmuck meiner Frau sieht, erkennt sofort, Kennerblick vorausgesetzt, dass ich kein Knauser bin.
Lieben kommt nicht von Geben
Denn ich liebe sie, meine Familie. Doch liebe ich meine Mitarbeiter? Liebe ich die Bürger meiner Stadt? Diejenigen, die in der Einkaufszone rumlungern und betteln statt zu arbeiten, diejenigen, die fremder Leute Wände besprühen statt Leinwände anzumalen, die berauscht monotonen Rhythmen frönen statt sich an polyphonen Melodien zu berauschen? Ich soll ihnen mein Geld abgeben? Wofür? Meine Familie liebt mich. Lieben diese Menschen mich? Liebten sie mich, selbst wenn ich ihnen gäbe? Nein, sie wollten, dass ich mehr gäbe, denn ihr Antrieb ist nicht Gerechtigkeit, sondern Neid.
Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich gäbe nicht bloß, ich gebe. Die Schule, auf die Ihre Kinder gehen, auf die ging auch ich. Was glauben Sie, woher sie den neuen Computerraum hat? Das städtische Kunstmuseum hat eine international beachtete Ausstellung hinter sich. Haben Sie gar nicht mitgekriegt, was? Wie kam wohl die Finanzierung zustande? Der Klimawandel beschäftigt mich. Ich investiere ein wenig in gemeinnützige Projekte und ein wenig mehr in neue Technologien. Insgesamt verteile ich zwanzig Prozent meines Einkommens in Soziales, Kultur und Umwelt. Ich kann es mir leisten. Sie können es sich leisten, zehn Prozent zu spenden oder zu investieren. Tun Sie’s?
GEBEN UND NEHMEN - Aktiv im Thema
deutsche-stiftung-engagement-und-ehrenamt.de | Die seit Juli 2020 tätige Bundesstiftung versteht sich als Servicestelle, die u.a. kleinen Initiativen beim Aufbau der erforderlichen Strukturen hilft.
b-b-e.de/faq | Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, hat zum Ziel „die Bürgergesellschaft und bürgerschaftliches Engagement in allen Gesellschafts- und Politikbereichen nachhaltig zu fördern“.
zukunftsinstitut.de/dossier/dossier-wir-gesellschaft | Das Zukunftsinstitut versammelt Beiträge zu einer solidarischen Wir-Gesellschaft.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
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