„Lasst das mal eine Frau machen“, sagt Danielle, schiebt sich mit einem ausladenden Hüftschwung zwischen Liam und Kenneth und beugt sich über die komplizierte Apparatur. „Gummiband“, sagt sie und Liam gibt ihr ein Gummiband.
„Wie unrealistisch!“, spottet Vadder Kleinemann von seinem Fernsehsessel aus, wobei ihm Chipskrümel in den Bart rieseln.
„Was? Dass sie mithilfe eines Taschenmessers und eines Gummibands inmitten der Zombieapokalypse das Internet wiederherstellen?“, fragt Mudder Kleinemann vom Sofa daneben.
„Nee, dass eine Frau das hinbekommt. Höhö.“
Doch die Drehbuchschreiber sind nicht von gestern. Ihre Danielle kriegt hin, woran die Männer scheitern. Bevor sie jedoch Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen können, rumpelt etwas hinter ihnen.
Vadder und Mudder Kleinemann zucken zusammen. „Habt ihr das gehört?“, fragt Teenager-Sohn Kleinemann.
„Ja, klar. Da ist sicher einer dieser Zombies bereits die Treppe hoch.“
„Oder dieser zwielichtige Typ von vorhin. Ich wette, der ist ein Verräter und Mörder. Und Kannibale! Der war schon so unheimlich“, ergänzt Mudder Kleinemann.
„Boah, Vadder, Mudder! Da ist gerade ein Eichhörnchen gegen das Fenster geflogen.“
„Ja, schrecklich, was da draußen los ist. Da kriegt man richtig Angst. Gut, dass wir es hier drin muckelig warm haben und uns vor dem Fernseher gruseln können.“
„Was da draußen abgeht, das ist kein normaler Sturm, das ist ein Zeichen des Klimawandels! Mudder, Vadder, davor solltet ihr Angst haben. Es geht um eure Zukunft – und vor allem um unsere Zukunft, nicht wahr Schwesterherz?“
„Ja, sicher, Bro. Aber was soll man da machen? Was hält diese Welt für uns parat? Egal, was man macht, es lauern Gefahren überall. Kann ich was ausichten gegen Klimawandel oder Krieg? Ich weiß ja selbst auch nicht, ob ich mich nun in Münster fürs Studium bewerben soll oder doch lieber in Bielefeld. Münster ist zwar cool, aber in Bielefeld soll es eine ganz aktive Szene geben. Die will ich nicht verpassen. Klar kann man sich ja auch irgendwie vernetzen, aber was, wenn mal der Zug ausfällt? Ich habe Angst, dann irgendwo in Oelde festzusitzen. Was soll ich denn machen, wenn auch mein Akku alle ist? Vielleicht bleibe ich doch hier und mache eine sichere Ausbildung bei der Sparkasse …“
„Seht ihr, Vadder, Mudder, eure Kinder sind voll der Sorgen! Und ihr sorgt euch um eure Filmcharaktere mehr als um eure eigenen Kinder! Ihr habt noch nicht mal Ökostrom bestellt!“
„Sag doch nicht so was, mein Kind, wir haben euch sogar sehr lieb. – Hinter dir, Liam, pass auf!“
Teenager-Sohn Kleinemann seufzt. Holt tief Luft. Panische Entschlossenheit steht ihm nun in den Augen. „Das kann so nicht weitergehen. Es muss sich auf der Stelle was ändern. Auf der Stelle! Der Klimawandel muss JETZT gestoppt werden!“
„Angst ist ein schlechter Ratgeber, mein Sohn“, sagt Vadder Kleinemas, ohne den Blick von der Darstellung missglückter Genexperimente auf dem Bildschirm zu wenden.
Sohn Kleinemann schnappt sich seine Jacke vom Kleiderhaken und geht hinaus in den Sturm. Der schleudert ihm direkt einen Dachziegel auf den Kopf. Noch den ganzen Abend wird Regenwasser in die aufgebrochene Fontanelle sickern, ehe die Eltern ihren Sohn vor der Haustür finden.
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Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Keine Panik!
Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft
„Nicht nur ärztliche, sondern auch politische Entscheidung“
Teil 1: Interview – Psychiater Mazda Adli über Ängste infolge des Klimawandels
Weltweit für Menschenrechte
Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
Angst über Generationen
Teil 2: Leitartikel – Wie Weltgeschehen und Alltag unsere Sorgen prägen
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 2: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen
Sorgen und Erfahrungen teilen
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Kölner Verein Rat und Tat unterstützt Angehörige von psychisch kranken Menschen
Wie die AfD stoppen?
Teil 3: Leitartikel – Plädoyer für eine an den Bedürfnissen der Mehrheit orientierte Politik
„Das Gefühl, dass wir den Krisen hinterherjagen“
Teil 3: Interview – Miriam Witz von Mein Grundeinkommen e.V. über Existenzängste und Umverteilung
Gefestigtes Umfeld
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertals Verein Chance 8 fördert Chancengleichheit für Kinder
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Ode ohne Freude
Gedanken zur EU – Glosse
Sinnenbaden im Meer
Ode an das Meer – Glosse
Blutige Spiele und echte Wunden
Gewalt in den Medien: Ventil und Angstkatalysator – Glosse
Gib mir Tiernamen!
Wie sich die Natur schwuppdiwupp retten lässt – Glosse
Nur die Lokomotive
Verloren zwischen Bett- und Lebensgeschichten – Glosse
Der heimliche Sieg des Kapitalismus
Wie wir vergessen haben, warum wir Karriere machen wollen – Glosse
Märchenspiegel 2.0
Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten – Glosse
Von der Barbarei der Debatte
Natürlich kann man vermeiden, dass irgendwer Dinge hört, gegen die er allergisch ist – Glosse
Staatsmacht Schicht im Schacht
Mögen Körperflüssigkeiten den Parlamentarismus retten – Glosse
Neidischheit und Geiz und Reichheit
Die Reichen sind geizig und die Armen neidisch. Klare Sache? – Glosse
Der Beverly Hüls Cop
Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht? – Glosse
Gemeinsam einsam
Die Kunst, nebeneinander zu sitzen und Welten entfernt zu sein – Glosse
Besser erzählt
Vom verborgenen Kollektiv, das sich die Zukunft ausdenkt – Glosse