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Onegin, zur Versöhnung unfähig, trifft seinen Freund tödlich im Duell
Foto: Mira Moroz

Oper als Selbstbekenntnis

26. September 2013

Tschaikowskys „Eugen Onegin“ – Opernzeit 10/13

Tschaikowsky gilt als russische Nationalikone, doch seine Homosexualität ist, wieder einmal, Tabuthema. Ken Russels Film „Genie und Wahnsinn“ aus dem Jahr 1970 machte den Zwiespalt und das Doppelleben, unter dem der Komponist im zaristischen Russland litt, in bombastischen Bildern breitenwirksam öffentlich. Seitdem Putin Homosexuelle mit einer aggressiven Ausgrenzungspolitik verfolgt, wird Tschaikowskys Neigung totgeschwiegen. Ganz in diesem Sinne säubert eine russische Neuverfilmung das Komponistenleben und „bekehrt“ Tschaikowsky zu einer heterosexuellen Liebesromanze, die nichts mit seiner Biographie zu tun hat.

Aus Angst, sein homosexuelles Leben könnte ruchbar werden, gab Tschaikowsky im Krisenjahr 1877 dem massiven Werben seiner Schülerin Antonina Miljukowa nach und flüchtete sich in eine Ehe mit ihr. Die Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da Tschaikowsky sich körperlich nicht zu der jungen Frau hingezogen fühlte und sich durch sie in seiner Kreativität blockiert sah. Er erlitt einen Zusammenbruch, die Ehekrise eskalierte und noch im Jahr der Eheschließung trennte er sich von Antonina, die den Bruch nie verwand und über zwanzig Jahre in Nervenheilanstalten zubrachte.

Tschaikowsky sah in Eugen Onegin, der Hauptfigur in Alexander Puschkins gleichnamigen Versroman aus dem Jahr 1833, die Zerrissenheit seiner eigenen Persönlichkeit gespiegelt: Genau wie Onegin führt Tschaikowsky das Leben eines resignierten Dandys, der der Gesellschaft überdrüssig ist. Das Großstadtleben ödet ihn an, mit seinem brillanten Intellekt und seinem eleganten Auftreten kaschiert er das Leiden an der inneren Leere. Onegin ist ein Rastloser, ständig auf Reisen flieht er von Ort zu Ort auf der Flucht vor sich selbst. Er handelt verantwortungslos sich selbst und anderen gegenüber, zerstört Liebes- und Lebensträume ihm vertrauter Menschen.

Tschaikowsky vertont Puschkins Textvorlage als lose miteinander verknüpfte Szenen, deren Handlung in großen Zeitsprüngen über zwei Jahrzehnte voranschreitet. Aus heutiger Sicht wirkt diese Folge von Einstellungen, Schnitten und Blenden filmisch. Das Orchester stellt innere Zusammenhänge zwischen weit auseinanderliegenden Ereignissen her: Musikalische Erinnerungsmotive durchziehen das ganze Werk. Die psychologische Charakterzeichnung der Hauptfiguren steht im Mittelpunkt, das gesellschaftliche Milieu hingegen wird nur kurz umrissen. „Ich wünsche nichts, was Bestandteil der großen Oper ist. Ich halte Ausschau nach einem intimen, aber kraftvollen Drama, das aufgebaut ist auf einem Konflikt von Umständen, den ich selbst erfahren und gesehen habe …“, sagte der Komponist über sein Werk und wünschte sich, in seinem Theaterverständnis Tschechow sehr nahestehend, für die Uraufführung im Jahr 1877 eine kleine Bühne und bescheidene Mittel.

Jeder der drei Akte schildert das Scheitern eines Menschen, für das Onegin verantwortlich ist: Zuerst ist es die Enttäuschung von Tatjanas erster großen Liebe, über deren Gefühle Onegin überheblich hinweggeht, darauf der Tod des jungen Dichters Lensky, der seinen Freund Onegin zum Duell fordert, als er sich von ihm verraten fühlt. Am Ende erkennt Onegin, dass er ein Verlorener ist, der allen, die ihm vertrauten, Unglück brachte. In seiner Verzweiflung fleht er um die Liebe Tatjanas, die, inzwischen mit dem Fürsten Gremin verheiratet, seine späte Liebeserklärung zurückweist: Sie kann und darf ihren Mann nicht verlassen, die Liebe ihres Lebens muss unerfüllt bleiben. Einsam und verlassen bleibt Onegin zurück, sein Leben ist endgültig gescheitert.

„Eugen Onegin“ I 20. (P)/23./25./27./30.10./1./3.11. I Oper am Dom, Köln

KERSTIN MARIA PÖHLER

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