Stefan Westerwelle, Jahrgang 1980, studierte von 2001 bis 2006 an der Kunsthochschule für Medien in Köln. „Solange Du hier bist“ ist sein inzwischen zahlreich ausgezeichneter Abschlussfilm.
trailer: Die Beziehung zwischen dem alten und dem jungen Mann ist sehr vielschichtig: Einerseits sexuell, andererseits aber auch freundschaftlich und letztlich ist es auch eine Art Vater-Sohn-Beziehung. Was ist der Hintergrund für eine solch ungewöhnliche Geschichte?
Stefan Westerwelle: Sicherlich hat meine intensive Freundschaft zu meinem damaligen Schauspiellehrer und meine spätere Zivildienstzeit im Altenheim einen starken Einfluss gehabt. In der Zeit war ich das erste Mal mit alten Menschen konfrontiert und zeitgleich mit der Erkenntnis, dass auch meine Jugend kein ständiger Zustand ist. Das ist ein Punkt, der mich sehr neugierig gemacht hat. Der Film versucht, die tiefen Erfahrungen und Beobachtungen zu einer unvoreingenommenen, respektvollen Hommage an diese Begegnungen und Freundschaften zu zeichnen.
Die Lebenshintergründe der beiden werden nur ausschnitthaft beleuchtet. Ähnlich bewegt sich die Kamera im Haus, es herrschen Groß- und Detailaufnahmen vor, die das Umfeld ertasten. Das wirkt zuweilen fast wie ein kriminologisches Einkreisen...
Ich würde es eher als ein akribisches und offenes Suchen bezeichnen. Ich versuchte eine Form zu entwickeln, in der ich mich von meinen Vorurteilen sowie von dramaturgischen Kniffen oder Behauptungen ablösen konnte und mich ganz dem intuitiven Aufspüren und Beobachten der Figuren widmen konnte. In der Zusammenarbeit mit der Kamerafrau Bernadette Paassen setzte sich diese Suche fort. Bernadette verzichtete fast vollständig auf künstliches Licht, da die Schauspieler in der Szenenentwicklung nie durch Lichtstative oder sonstiges Equipment gestört werden sollten. Das erlaubte den Schauspielern, ganz frei nach ihrer Rolle zu suchen, ohne technische Begrenzungen im Kopf haben zu müssen. Bernadette suchte dann wie eine Dokumentaristin nach kleinen Gesten, Gesichtsausdrücken, feinen Details, die in einer anderen Arbeitsweise wahrscheinlich unentdeckt geblieben wären, den Film und die Figuren aber um so vieles reicher und vollständiger machen.
Kann man in einem Sub-Subgenre zwischen Queer- und Arthouse-Film auf ein größeres Publikum jenseits von Kritikererfolg hoffen?
Der Film, der ja als Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien entstanden ist, hat eine erhoffte, aber nicht erwartbare Karriere hingelegt. Er gilt mit seinem Minibudget von 4000 Euro als absolutes Produktionswunder. Die Auszeichnung mit dem Deutschen Filmpreis ist sicherlich einer der Höhepunkte seiner überragenden Festivalkarriere gewesen. Thematisch kennt der Film keine Abgrenzung zwischen Schwulenfilm und Heterofilm. An letzterem Begriff wird ja auch die ganze Absurdität dieser Einordnungen deutlich. Die Geschichte basiert zwar auf zwei homosexuellen Charakteren, behandelt aber Allumfassendes und überhaupt nichts Gruppenspezifisches.
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