Eine Frau schiebt einen winzig kleinen Kinderwagen. Da sie aber auf mindestens zehn Zentimeter hohen Absätzen trippelt, muss sie sich ganz tief hinunter beugen und gleichzeitig ihren Po in die Höhe recken. Fürsorgliche Mutter sein und sich zum erotischen Objekt stilisieren, zwei Funktionen, die sich im humorvoll-pointierten Bild treffen, das Marion Dieterle in ihrer Choreographie „Fleisch und Puppen“ entwirft.
Eine Produktion, die sie jetzt bei Barnes Crossing in der Wachsfabrik zeigte, und die es in sich hat. Die Familie als Hort von Identität und Halt, als Ort der Unterdrückung, von Begehren und Stagnation. Sehr komplex sind die Themen, sehr reif und durchdacht werden sie mit den Mitteln des Tanzes, der Animation oder des Schauspiels ins Bild gesetzt. Auch wenn der Name der von Marion Dieterle gegründeten Kompanie „Dossier 3-D-Poetry“ das für Tanzkompanien übliche Sprachwirrwarr technisch-poetischer Bedeutsamkeit enthält, bezeichnet er doch ein Potential dieser Truppe, die den Tanz wieder vom aussagekräftigen Bild her versteht. Kein bedeutungsgesäuberter Formalismus, wie ihn die etablierte Tanzszene favorisiert, sondern der Mut, Erfahrung im Bild poetisch zu konzentrieren. Ein Bekenntnis zu Geste und Körper, das liefert diese neue Truppe, die von Freiburg kommend die Kölner Szene fraglos bereichert. Und das in einem doppelten Sinne, denn zu ihr zählen Florian Patschovsky und Tim Behren, die als Duo HeadFeedHands soeben den in Budapest ausgetragenen internationalen Choreografie-Wettbewerb „No Ballet“ in allen Kategorien gewannen.
Einige Male lassen die beiden auch in „Fleisch und Puppen“ ihr tänzerisches und akrobatisches Potential aufblitzen. Bei virtuosen Pralinés bleibt es aber nicht. Die Inszenierung besitzt eine prickelnde Sinnlichkeit, die sich auch aus einem spezifischen Verständnis von Männlichkeit speist, das Kraft und Geschmeidigkeit in sich vereinigt. Neben der zierlichen Weiblichkeit von Marion Dieterle, die selbst tanzt, zeigt Emily Welther mit ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft eine wuchtige Seite weiblicher Präsenz. Immer spürt man die Lust am Einsatz körperlicher Gesten, die auch mit anderen Medien korrespondiert. Marion Dieterle liefert mit einem von ihr gezeichneten Animationsfilm, der auf die Rücken der Männer projiziert wird, oder mit fotografischen Versatzstücken und einem schwelenden Sound eine elektrisierende Eröffnungssequenz.
Neben dem brillanten Tanz und den packenden Bildern beeindruckt vor allem die Konsequenz, mit der das schwierige Familiensujet intellektuell und ästhetisch in Angriff genommen wird.
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