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Mit einem dominanten Mann verheiratet: Martina Gedeck mit Josef Bierbichler in „Zwei Herren im Anzug“
Foto: Presse

„Sie bezieht immer Position für ihren Sohn“

22. Februar 2018

Martina Gedeck über „Zwei Herren im Anzug“ und ihre bayerischen Wurzeln – Roter Teppich 03/18

Die 1961 in München geborene und in Landshut und Berlin aufgewachsene Martina Gedeck gehört zu den wichtigsten Schauspielerinnen unseres Landes. Spätestens mit ihrer Titelrolle in „Bella Martha“ wurde sie 2001 zu einem Publikumsliebling und Film- und Fernsehstar. Es folgten Rollen in „Das Leben der Anderen“, „Der Baader Meinhof Komplex“ und „Die Wand“, aber auch in internationalen Produktionen wie „Der gute Hirte“, „Nachtzug nach Lissabon“ oder „Anni Felici – Barfuß durchs Leben“. Im ersten großen Kinofilm von Josef Bierbichler stand Gedeck nun neben dem Regisseur in „Zwei Herren im Anzug“ vor der Kamera. Bierbichlers Verfilmung seines eigenen Romans „Mittelreich“ startet am 22. März in den Kinos.

trailer: Frau Gedeck, Sie kannten Josef Bierbichler schon seit einigen Jahren, haben aber nun zum ersten Mal professionell mit ihm zusammengearbeitet...

Martina Gedeck: Das stimmt, ich kenne Herrn Bierbichler von seiner Zeit am Schauspielhaus Hamburg, an dem ich seinerzeit als Anfängerin ebenfalls engagiert war. Schon als junge Schauspielerin habe ich ihn damals sehr bewundert, vor allen Dingen seine Kraft und seine große Tiefe und Unmittelbarkeit als Schauspieler. Ich bin ihm im Laufe der Zeit immer wieder begegnet, aber leider haben wir nie zusammen gespielt. Deswegen habe ich mich nun sehr gefreut, dass er mich für diese Arbeit auserkoren hat.

Da Bierbichler auch die Romanvorlage geschrieben hat, ist das Ganze durch und durch sein Thema. Hatte er klare Vorstellungen davon, wie Sie Ihre Figur anzulegen haben?

Die Theres ist auch im Roman schon sehr genau beschrieben. Das hat mir Bierbichler auch sehr genau gesagt und mitgegeben in meine Arbeit: Für Theres, die ja jünger ist als ihr Mann, ist dieser zu Beginn der Bestimmende, sowohl in der Ehe als auch auf dem Hof. Aber im Laufe der Zeit stellt sie dann fest, dass sie übernehmen muss. Weil ihr Mann feststeckt und eine Schwäche hat, über die sie nicht genauer Bescheid weiß. Theres erkennt diese Schwäche plötzlich, und von da ab ändert es sich zwischen ihnen. Diese klare Entwicklung innerhalb der Beziehung war Bierbichler zum einen wichtig. Zum anderen ist wichtig, dass Theres immer Position für ihren Sohn Semi bezieht und diesen verteidigt. Im Spiel selbst war Bierbichler eine Klarheit und Direktheit wichtig, und dass die bayerische Mundart stimmt und das Ganze nicht zu hochdeutsch wird. Er wollte auch, dass ich einfach gekleidet bin und meine Kostüme dem tatsächlichen Aussehen der Frauen aus dieser Zeit entsprechen. Bierbichler hatte da schon sehr genaue Vorstellungen, weil viele der Figuren ja biografisch angelehnt sind an seine eigene Familiengeschichte.

Kam es Ihnen denn gelegen, die Rolle in bayerischer Mundart zu sprechen, oder war das eher eine Herausforderung für Sie?

Ich habe früher sehr viele bayerische Rollen gespielt, weil ich aus Bayern stamme. Meine erste größere Rolle war die „Hölleisengretl“ von Jo Baier, und bei ihm habe ich damals für mehrere Fernsehfilme Bayrisch gesprochen. Die Filme sind mittlerweile in Vergessenheit geraten, aber dafür habe ich damals meine ersten Preise bekommen. Die mundartliche Sprache, die ich damals benutzt habe, war allerdings nicht so stark wie jetzt bei Bierbichler. Damals wollte man das fürs Fernsehen nicht. Alle sollten so sprechen, dass man sie trotzdem noch versteht, das war eine gemäßigte Mundart. Sepp Bierbichler hingegen wollte jetzt das starke Bayerisch. Da musste ich mich dann schon nochmal richtig hineinschaffen. Ich habe mit meiner Mutter und meinem Vater gearbeitet, die beide die Sprache schon immer gesprochen haben, und mit den beiden habe ich dann geübt. Und mit Lisa, dem Nachbarskind aus meinem Heimatdorf, die hat mir die Sätze vorgesprochen.

Der Film spielt in einer sehr urtümlichen Ecke Bayerns. War es schwer für Sie, sich mit dieser Lebenswelt zu identifizieren?

Nein, das war mir ehrlich gesagt sehr vertraut, weil das meine ganze Kindheit ausgemacht hat. Ein Großteil meiner Szenen spielt im Bayern der 60er Jahre, die ich selbst ja als Kind so erlebt habe. Das hat viele Kindheitserinnerungen wachgerufen. Ich bin zwar weder in einer Wirtschaft noch auf dem Bauernhof groß geworden, aber meine Großmutter hat auf dem Land gelebt, wir waren da sehr oft bei den Bauern. Unsere Familie hat das Haus dort als Ferienhaus noch immer. Seit den 60er Jahren hat sich da sehr viel verändert, insbesondere was die Landwirtschaft betrifft. Aber ich erinnere mich auch an solch einen Traktor, wie er im Film vorgeführt wird, und auch an die ganzen Details der Einrichtung. Vieles hat sich dort über Jahre hinweg nicht verändert, erst, als man auf Großbetriebe umgestiegen ist. Ich habe mich unheimlich gefreut, wieder in diese mir so vertraute Welt einzutauchen. Das Bayerische ist so prägend für einen, das verliert man nicht im Laufe der Jahre. Als ich mit neuneinhalb Jahren nach Berlin gezogen bin, hatte ich großes Heimweh, weil das dort eine vollkommen andere Welt für mich war. Als ich für den Dreh nun nach Bayern zurückgekehrt bin, habe ich mich dort sehr zu Hause und wohl gefühlt.

Neben diesen positiven Elementen zeigt der Film auch einige Nachteile der Region auf, die aus falsch verstandener Religion oder überzogener Volkstümelei entstehen, die dann den Nährboden für die Fremdenfeindlichkeit der Nationalsozialisten lieferte...

Gerade die Bauern in den ländlicheren Regionen Bayerns haben sich nicht sonderlich beeindrucken lassen von Politik. Die waren da nicht wirklich infizierbar. Der Nationalsozialismus, der Kommunismus und alles, was es davor und danach so gab, konnte dort nicht so richtig Fuß fassen, weil die Leute dort ganz anders verwurzelt sind. Traditionen und Wurzeln spielen dort nämlich eine sehr große, wichtige Rolle. Natürlich ist der Nationalsozialismus über die Familie hereingebrochen, denn sie mussten in den Krieg ziehen und all seine Schrecken miterleben. Auch der Pankraz hat dort so schlimme Sachen machen müssen, die ihn dann gebrochen haben.

Was ist für Sie die Kernaussage des Films?

Vielleicht die Tatsache, dass zu wenig miteinander gesprochen wird. Das ist für mich eine wichtige Konnotation des Films, aber auch des Lebens. In alten Zeiten, und ganz besonders unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, hat man sich dem Anderen nicht anvertraut. Man ist an seinem Schweigen und den damit verbundenen Traumatisierungen regelrecht erstickt. Sepp Bierbichlers Figur Pankraz fängt erst nach dem Tod seiner Frau an zu reden. Alles, was bislang verdrängt wurde, kommt dann hoch. Und in einer Parallelgeschichte geht es um den Sohn Semi, der sich ebenfalls erinnern will und erinnern muss, angesichts des Todes der Mutter, die zwischen den beiden das Bindeglied war. In dem Moment, in dem die Theres stirbt, stehen sich die beiden Männer plötzlich wieder unmittelbar gegenüber. Beide merken nun, dass sie miteinander reden müssen, weil sie sonst untergehen oder ersticken. Das zeigt uns der Film auch: Man muss die Menschen und die Welt mit dem Unrecht konfrontieren, das einem widerfahren ist. Man hat ein Recht auf Erlösung. Zu Lebzeiten.

Tom Fährmanns visuelle Gestaltung des Films ist herausragend. Konnte man beim Dreh schon erkennen, wie genau die Bilder durchkomponiert sein werden?

Ja! Die beiden, Bierbichler und Fährmann, haben sich schon Wochen vor Drehbeginn getroffen, haben sich die Motive angesehen und sich die visuelle Gestaltung überlegt. Da ist nichts zufällig am Drehort entstanden, das sind ganz genau gebaute Bilder, die schon lange vorher feststanden und genau durchdacht waren. Das besondere Konzept bestand darin, dass es häufig genau eine Kameraposition gab, und nicht wie sonst üblich, jede Szene immer kleiner aufgelöst wurde und es alle drei Sekunden einen Schnitt gibt. So kann der Zuschauer den Menschen wirklich tableauartig dabei zusehen, wie sie gelebt haben. Man sieht die Menschen von Kopf bis Fuß, mit dem Raum um sie herum. Das ist, meiner Meinung nach, auch dem Theater geschuldet, aus dem Bierbichler kommt. Da kann man sich als Zuschauer selbst auf die Reise begeben und sich entscheiden, was man genauer anschauen möchte. Man hat als Zuschauer dann eine größere Freiheit, als wenn man ständig von der Kamera geführt wird. Man erlebt die ganze Atmosphäre, das Wesen des ganzen Menschen in seinen Zusammenhängen, und bekommt nicht künstlich eine Nähe aufgezwungen, die einem keine Möglichkeit zur Reflexion mehr lässt. Sowohl Bierbichler als auch Fährmann fanden es richtig, die Geschichte so zu erzählen.

Interview: Frank Brenner

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