Der zarte Gesang von Knaben und das Strahlen der Trompeten gehören zur Weihnachtszeit wie der Spekulatius und das grüne Tannengrün – zumindest für die Klassikfreunde. Davon gibt es immer weniger, aber doch noch so viele, dass auch die Konzertveranstalter entsprechend reagieren: Knabenchöre und Blechbläser-Ensembles erreichen am Jahresende die höchste Auftrittsfrequenz und touren durch die berühmten Konzertsäle. Dabei können die Hochtöner der Blechkunst, die Trompeter, als Solisten Starkult erlangen. Das funktioniert am besten – wie so häufig im Showgeschäft – als Gesamtkunstwerk aus Persönlichkeit und Musiker.
Ein Bergmann aus Frankreich betonierte in Europa den Kult um die Trompete. Maurice André stieg direkt aus der Grube im Kohlerevier der Cevennen auf in den Himmel, der in seinem Falle voller Trompeten hing, große und kleine. Die kleine Bachtrompete für die Töne, die wie Kerzen in den Tannenspitzen blitzen, brachte André ganz nach vorn, rund 250 Platten produzierte der Könner, der als Senior noch im Sitzen auf der Bühne spielte. Im letzten Jahr hat er die echte Himmelsleiter genommen.
Auf der Blüte dieser Westkarriere entwickelte sich ein Trompeter im Osten Deutschlands zum Star auf dem Klassikmarkt. Ludwig Güttler verließ letztlich seine Orchesterpositionen in den sächsischen Spitzenorchestern, um im instrumentalen Alleingang – nur Sänger und Dirigenten erlangten Reputation über die geschlossenen Grenzen hinaus – eine internationale Solokarriere in den mittleren Achtzigern zu starten. Das war damals noch mit politischen Fußangeln versehen, und mancher Konzerttermin wackelte aufgrund einer nicht genehmigten Ausreise.
Mit dem Einsatz in führender Position für den Wiederaufbau der Frauenkirche übernahm Güttler außermusikalische Aufgaben mit weltweiter Anteilnahme, er wurde zum „Trompeter der Frauenkirche“ und zum „Startrompeter aus Dresden“. Die Frauenkirche wurde zu seinem Konzertsaal für die verschiedenen Ensembles und Orchester, denen Güttler als Gründer, Solist oder Dirigent verbunden ist.
In diesem Jahr verbringt er einen guten Teil der heiligen Zeit auf Tour mit seinem Blechbläser-Ensemble, und er streift auch mehrfach NRW. Dabei setzt der sächsische Bläser auch auf zahlreiche Komponisten, die dem Hof zu Dresden verbunden waren. Und etwas hat der höfische Glanz des Blechs sich erkennbar erhalten. Maurice André: „Die Trompete ist ein schwieriges Instrument. Sie löst gemischte Gefühle aus, weil sie ihren kriegerischen Einsatz, den Goût des Triumphs sowie das biblische Bild der Apokalypse behalten hat.“ Wenn dann noch Paukenfelle vibrieren, wird die Musik gleich triumphal bis martialisch. Paukisten waren schon im Mittelalter mit den Blechbläsern verbunden. Bei der Hochzeit von Johann dem Beständigen im Jahr 1500 zog das Brautpaar „unter Vortritt der Trompeter und Pauker zu dem Brautbett; daselbst hat man sie zusammen gelegt mit großem Geschall der Trompeten und Pauken“. Was wichtig war, wurde damals laut beschallt. Maurice Andé hat aber in seiner Karriere auch andere Erfahrungen machen dürfen. André: „Die Trompete kann aber auch Mädchen im Reigen tanzen lassen.“
Blechbläserensemble Ludwig Güttler
Mo 9.12. 20 Uhr | Philharmonie Essen | www.philharmonie-essen.de
Mi 11.12. 20 Uhr | Philharmonie Köln | www.koelner-philharmonie.de
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