Dirk Lütter, Jahrgang 1970, lernte in Berlin Kamera, bevor er an der Kunsthochschule für Medien in Köln Regie studierte. Nach einigen prämierten Kurzfilmen ist „Die Ausbildung“ sein Kinodebüt.
trailer: Herr Lütter, schon in Ihrem Kurzfilm „Die unsichtbare Hand“ von 2006 beschäftigten Sie sich mit der Arbeitswelt und ihren Disziplinierungsmechanismen. Wie kamen Sie auf das Thema?
Dirk Lütter: Im Gegensatz zu Liebe oder Krankheit ist die Arbeitswelt ein im Film unterrepräsentiertes Themenfeld, obwohl sie das Leben der meisten Menschen sehr stark prägt. Über die Ursachen, Strukturen und Folgen jüngerer Entwicklungen – Stichwort Globalisierung – muss meiner Meinung nach noch viel mehr diskutiert werden. Dazu versuche ich, einen Beitrag zu leisten.
Es gibt in „Die Ausbildung“ einige vage, mit dem „Chor“ aber auch einen ganz konkreten Verweis auf Bertolt Brechts Episches Theater. Inwiefern passt Brecht ins 21. Jahrhundert?
Brecht passt wunderbar ins 21. Jahrhundert, Filmemacher wie von Trier, Haneke, Kaurismäki u.a. zeigen das. Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine Erzählform, die die Zuschauer intellektuell ernst nimmt und auffordert, selber zu denken. Ich frage mich, wie die derzeit dominante Erzählform des kommerziellen Kinos, die auf viel älteren Dramentheorien beruht, in den letzten drei Jahrzehnten alles andere so an den Rand drängen konnte? Eine Erzählform, die die Zuschauer durch Musik, Affekte, Emotionalisierung und starken Handlungsdruck wie eine Kuh am Nasenring durch die Manege führt.
Mit dem latent aggressiven Freizeitverhalten des Protagonisten zeigen Sie auch, wie der Zwang in der Arbeitswelt ein Ventil findet. Sind diese Szenen Spekulation, oder basieren sie auf Recherche?
Beides. Ich bin in der Provinz in der Nähe von Köln aufgewachsen, das Rasen auf den Landstraßen als Aggressionsventil ist mir aus der Zeit noch geläufig. Der Umtausch von Kleidung basiert ebenfalls auf Recherche. Viele junge Menschen machen das ja z. B. nach einmaligem Tragen. Ich habe dieses Verhalten auf die Lebenssituation des Protagonisten übertragen, verändert, weiter gedacht, aufgeladen und gleichzeitig ein bisschen verrätselt.
Der Film wirkt realistisch und zugleich betont trist. Wie sah das visuelle Konzept des Films aus?
Es ging mir und dem Kameramann Henner Besuch vor allem darum, die Strukturen, in denen Jan lebt, visuell sichtbar zu machen. Wir haben daher sehr genau kadrierte Bilder gemacht, die den Raum stark miteinbeziehen, haben mit Wiederholungen gearbeitet, mit einem klaren Rhythmus. All das steht für die Strukturen, in denen die Menschen sich verhalten müssen.
Vor Ihrem Regiestudium haben Sie Kamera gelernt und viele Kurz- und Dokumentarfilme gedreht. War es schwierig, die Kameraarbeit in eine andere Hand zu legen?
Das war natürlich schwierig für mich. Mit Henner Besuch habe ich lange und ausführlich das Konzept entwickelt. Zu Beginn des Drehs war dann komplett klar, was wir wollten. Aber ich denke, Henner war manchmal schon etwas genervt, wenn ich wieder irgendeine Kleinigkeit korrigiert habe. Ich bin da mitunter etwas pedantisch.
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