Für DichterInnen ist das KulturCafe auf dem RUB-Campus ein raues Pflaster. Das bekommt auch die etablierte Slammerin Theresa Hahl zu spüren, als sie ansetzen will, ihre poetischen Texte vorzutragen. Feierabendstimmen, die hinten an der Theke ein Bierchen wollen, dringen in den Raum. Die Dichterin auf der Bühne stoppt kurz und guckt genervt auf ihren Zettel: „Hey, wir machen hier Lyrik.“ Doch die Bierseligkeit lärmt weiter: Gläser klirren, Kästen scheppern – Rilke würde sich im Grabe umdrehen. Jetzt reicht es ihr: „...sonst komme ich gleich mit einem Gedicht vorbei.“ Irgendwann schallt ihre Stimme laut wie melodisch durch den Raum. Das gehört dann aber schon zum Text, den sie verliest: „Hat Ronja Räubertochter so gesungen.“
Aber im KulturCafe stellt sich das Gemurmel einstweilen ein, die Literaturstudentin kann ihre Verse vorlesen. Und die beginnen mit besagtem Räubertocher-Ausstoß als Freiheitsschrei. Denn genauso wie diese im Lindgren-Werk rebellisch darauf besteht, ihren eigenen Lebensweg gehen zu wollen, so eröffnet die Slam-Branchenführerin in Herz- und Himmel-Metaphern Theresa Hahl in ihrem Beitrag eine poetische Abrede an die spießige „Reihenhausraster“-Fassade und beschwört stattdessen „alle Abenteuergeister“.
Eine Punk-Ballade an die RUB
Für diesen Text stand niemand Geringeres als Schiller mit seinen „Gesellen“ Pate, wie sie erläutert: „Schiller war ja schon immer spießig, finde ich.“ Und um Fassaden, ob sie nun alt oder spießig erscheinen, drehen sich auch viele Beiträge an diesem Abend. Zunächst stellen das Treibgut-Moderatoren-Duo Tim Kollande und Marek Firlej fest, dass man die meisten fortgeschrittenen Semester innerhalb der eigenen Literaturinitiative kennen gelernt hat, „eine Art anonyme RUB-Langzeit-Studenten“, wie Kollande scherzt. Da liegt es auch für Johannes Opfermann (zuletzt beim Menschenrechts-Slam) nicht fern, der RUB ein Geburtstagsständchen zu singen: „ eine Punk-Ballade an die RUB“: „Ach RUB,...wo innere Werte zählen – Rost , Asbest und PCB.“
Literatur- und Slam-Nachwuchs auf offener Bühne
Doch bei all dem alten Beton sollte eigentlich der Literatur- und Slam-Nachwuchs auf der Offenen Treibgut-Lesebühne rekrutiert werden. „Viel Frischfleisch“, wie es Moderator Marek Firlej auf den Punkt schmatzt. Für den Nachwuchs stand nicht zuletzt Monika Czyz, die frisch zur Ruhrpokal-Gewinnerin der U20-Poetry-Slam Meisterschaft gekürt worden ist. Dabei knüpft ihr Beitrag nahtlos an andere lustige Beiträge über den Betonklotz Ruhr-Uni an und scherzt über „Exil-RUBaner“ und die bedrückende Erscheinung des Beton-Klotzes.
Eine spannende Episode über Trennung, Ferne und Wiedersehen erzählt dagegen Ina Lammers in ihrer Kurzgeschichte „Schwesterherz“ und rundet damit auch einen sehr unterhaltsamen Treibgut-Literatur-Abend im KulturCafe ab: Frischzellenkur für Schiller und die RUB, Frischfleisch für die Slam-Szene und Treibgut. so alt wirken die langzeit-studierenden von Treibgut dann doch nicht.
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