30 Jahre Mauerfall sind ein Anlass, um sich zu vergegenwärtigen, wogegen die Bürger der DDR damals auf die Barrikaden gingen, wie sich ihr Leben gestaltete und warum sie unbedingt ausreisen wollten. Ein Seismograph der Verhältnisse – mit dem Für und Wider gegenüber dem herrschenden System – waren die bildenden Künstler. Das verdeutlicht jetzt die klug zusammengestellte, mit etlichen „ikonischen“ Werken zur Kunst in der DDR gespickte, Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf. Sie stellt dreizehn Maler in chronologischer Abfolge vor, die unterschiedliche Einstellungen repräsentieren: den Glauben an das DDR-Regime, den einzelgängerischen Rückzug auf existenzielle Aussagen mit den Mitteln der figurativen Darstellung, das schließlich geduldete Insistieren auf der geometrischen Abstraktion und das Erfüllen der Maxime des Sozialistischen Realismus. Und dann folgen die Widerstände im Untergrund, der vielsagende Rückzug auf die Mythologie und schließlich das Beobachten des eigenen Beobachtet-Werdens.
So werden die wenig bekannten realistischen Werke von Wilhelm Lachnit und Elisabeth Voigt ebenso ins Bewusstsein gerufen wie die phantastische Malerei der jüngeren Angela Hampel. Zum Glück wird an die stillen Zeichner Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus erinnert, die mit feinen Strichen und der Ästhetik der Schrift einen Kosmos an Welterfahrung vor Augen führen. Konsequenterweise sind alle Künstler der zeitweilig so genannten „Viererbande“ vertreten, die im Unterschied zu den „Staatskünstlern“ die kulturellen Vorgaben auch im westlichen Ausland vertraten. Die Metaphern, die etwa Mattheuer und Heisig einsetzen, verwendet wiederum Michael Morgner in subtil konträrer Weise. Rigoros äußern sich dagegen A.R. Penck und Cornelia Schleime, von der das spannende dokumentarische Frühwerk ausgestellt ist. Dabei ist die Ausstellung keineswegs eine „Aufrechnung“, sondern ein stilistisches Rekapitulieren der bildenden Kunst in der DDR durch vier Jahrzehnte, welches die „Geheimsprachen“, die Ausdrucksstärke und generell die gesellschaftliche Macht des Mediums unterstreicht. Man kann viel lernen – und viel sehen.
Utopie und Untergang | bis 5.1.20 | Kunstpalast Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gerhard Richter aus Privatbesitz
„Verborgene Schätze“ im Düsseldorfer Kunstpalast
„Auch die Sammler beeinflussen den Künstler“
Kurator Markus Heinzelmann über die Ausstellung zu Gerhard Richter in Düsseldorf – Sammlung 08/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
„Die Berührung impliziert eine Verbindung zum Objekt“
Generaldirektor Felix Krämer kuratiert „Tony Cragg: Please Touch!“ im Kunstpalast Düsseldorf – Sammlung 02/24
Kasse machen mit dem Teufel
„Tod und Teufel“ im Museum Kunstpalast – Kunstwandel 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
„Es ist fast eine spirituelle Erfahrung“
Alain Bieber über Refik Anadol im Museum Kunstpalast – Sammlung 02/23
„Ihr ging es immer um Ambivalenzen und Widersprüche“
Linda Conze über das Werk von Evelyn Richter – Sammlung 09/22
Zweierlei Romantik
Caspar David Friedrich im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 12/20
„Blick auf einen Jetztzustand, der sehr emotional ist“
Kuratorengespräch über „Empört Euch!“ im Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 11/20
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23