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Alain Bieber
Foto: Katja Illner

„Es ist fast eine spirituelle Erfahrung“

13. Februar 2023

Alain Bieber über Refik Anadol im Museum Kunstpalast – Sammlung 02/23

trailer: Monumentale Datenskulptur – ist das eine Art Computerspiel ohne Protagonisten?

Alain Bieber: Nein, das ist kein Computerspiel, das ist eine immersive Rauminstallation. Refik Anadolnennt das Datenskulptur, weil die Visualisierung dreidimensional wird. Das sind große LED-Screens, die wirklich hoch sind und die Besucher:innen quasi mit der Installation verschmelzen lässt. Die Bilder, die er auf Screens generiert, nennt er Datengemälde.

Gegenständliches im herkömmlichen Sinn sollte man aber nicht erwarten, oder?

Es ist eine Arbeit, die auf künstlicher Intelligenz basiert, auf zwei Millionen Bildern, die von Weltraumteleskopen aufgenommen worden sind, von der ISS, von Hubble und dem Magdalena Ridge Observatorium. Diese KI ist ein selbstlernender Algorithmus, der daraus wieder neue Bilder generiert. Der Künstler speist dann diese Bilder in die Computer ein und der Algorithmus kreiert daraus dann die Pixelwelten, neue farbige ineinanderfließende Bilder. Bei Refik Anadol geht es immer um das Verhältnis von Wissenschaft und Natur.

Produzieren zwei Millionen Weltraumbilder und das dynamische AI-Data-Painting tatsächlich eine neue Ästhetik?

Ja, ich glaube, das ist eine neue Ästhetik, man spricht ja jetzt von Digitalism als einer neuen Strömung in der Kunst. Die Bilder sind einfach sehr ungewöhnlich, ein menschliches Gehirn würde sie wahrscheinlich als fehlerhaft oder falsch aussortieren, aber der Computer kennt ja solche Kategorien nicht und deswegen sucht er immer sehr weirde Bilder aus und so wird das ein Dialog zwischen Mensch und Maschine. Die Betrachter:innen im Museum interpretieren sie dann je nachdem, woran sie gerade denken müssen.

Optisch sieht das ein bisschen so aus, wie wir das in den 1970er Jahren mit zwei Glasscheiben, Wasserfarbe und einem Diaprojektor gemacht haben.

Medien- und Videokunst sind ja keine neuen Themen. Wir zeigen hier den absolut neuesten Stand der Technologie und das ist ein Punkt, der Refik Anadol sehr wichtig ist. Da sind die besten Screens, die man haben kann verbaut, die besten LEDs, die beste Produktionstechnik, die höchste Pixeldichte. Selbst bei VR-Brillen ist das noch so, dass man manchmal das Gefühl hat, die Bilder sind zu körnig, zu pixelig und deshalb ist oft das Gefühl einer Immersion nicht gegeben. Je besser die Qualität ist, desto stärker wird der Gesamteindruck.

Wenn eine KI die Kunst generiert, wo bleibt denn dann der Künstler?

Das ist eine große Frage. Ich glaube, dass die nächsten Jahre noch stärker von künstlicher Intelligenz beeinflusst werden. Eine KI wird immer stärker unser Leben dominieren – sie ist ja bereits in vielen Geräten drin, sei es Bilderkennung, Social Media oder Netzwerke und KI wird immer intelligenter. Das einzige, was den Menschen bisher einzigartig gemacht hat, war seine Schöpfungskraft. Das wirklich Neue ist nun, das Maschinen auch Kunst schöpfen können, es gibt bereits malende Roboter, mit dieser Dall-E-Bildsoftware, da wirft man einfach ein paar Begriffe rein und sie spuckt Bilder aus. Aber nur, dass die Maschine permanent Kunst produziert, heißt ja nicht, dass es auch gute Kunst ist.

Refik Anadol, Machine Hallucinations – Satellite Simulations: B, 2021, (LED Wand ca. 600 x 400 x 50)
© the artist and König Galerie Berlin, Seoul, Vienna, Foto: Courtesy Art Collection Telekom

Refik Anadol hat mal gesagt, dass da zwei neuronale Netzwerke konkurrieren. Ist das dann am Ende so, dass wir Computerprogramme haben, die auf dem Kunstmarkt konkurrieren werden?

Er meint, dass diese zwei Netzwerke voneinander lernen und sich gegenseitig wieder inspirieren. Aber das kann natürlich so sein, dass die auf dem Kunstmarkt wieder miteinander konkurrieren. Warum nicht? Das könnte ein eigenes Kunstprojekt sein.

Was erwartet denn den Besucher der Ausstellung?

Refik Anadol ist ein populärer Künstler, er ist inzwischen einer der berühmtesten Medienkünstler:innen weltweit, weil er Bildwelten schafft, die sehr zugänglich sind. Es gibt bei ihm nicht so wahnsinnig verkopfte Metaebenen. Er macht quasi sehr schöne, ästhetische Datenkunst. Es ist fast eine spirituelle Erfahrung, wenn man davorsitzt und von diesen Pixeldatenskulpturen so eingenommen wird. Das ist ein immersives Gefühl und idealerweise können die Besucher:innen noch ein bisschen reflektieren über was das für die Kunst der Zukunft bedeutet, wenn KI Kunst schafft.

Aber im Prinzip ist es inhaltslos?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt Inhalte. Es gibt eine Aussage, eine Botschaft, viele Datenmengen. Es hat aber auch eine Schönheit und weil es schön und ästhetisch ist heißt es nicht, dass es inhaltslos ist.

Refik Anadol. Machine Hallucinations | 8.3.-23.4. | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Interview: Peter Ortmann

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