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„Die Berührung impliziert eine Verbindung zum Objekt“

30. Januar 2024

Generaldirektor Felix Krämer kuratiert „Tony Cragg: Please Touch!“ im Kunstpalast Düsseldorf – Sammlung 02/24

Bei der Ausstellung über den Bildhauer Tony Cragg dürfen die Skulpturen angefasst werden. Im Interview erklärt Felix Krämer, der Generaldirektor und künstlerische Leiter des Kunstpalastes Düsseldorf, die Gründe für diese Entscheidung. 

trailer: Herr Krämer, ich bin einmal in Italien wegen der Berührung einer Rodin-Skulptur fast verhaftet worden, wird das im Museum Kunstpalast bei Tony Cragg auch so sein?

Felix Krämer:
Wir sind im Kunstpalast nicht so rigide und bemühen uns als ein freundliches Haus in Erscheinung zu treten. Aber um auf die vermutlich nur halb ernste Frage zu antworten: Das mit der Cragg-Ausstellung „Please touch!“ ist ein Experiment. In anderen Teilen des Museums wird es auch weiterhin aus konservatorisch notwendigen Gründen nicht möglich sein, die Arbeiten zu berühren. Das wird ein kleines Abenteuer, das der Künstler und ich uns gemeinsam ausgedacht haben, aber es ist eine temporäre Geschichte und ich bin auch wirklich gespannt darauf, wie das Publikum reagieren wird. Ich kann da keine Vorhersage machen. 

Felix Krämer
Foto (Ausschnitt): Anne Domday
Zur Person: Felix Krämer (*1971) hat an der Universität Hamburg Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Volkskunde studiert und dort 2005 promoviert. Seit Oktober 2017 ist er Generaldirektor und künstlerischer Leiter des Kunstpalastes in Düsseldorf. 

Sind die konservatorischen Gründe bei Tony Cragg ausgehebelt? Was sagt die Versicherung?

Das ist jetzt eine besondere Situation. Für andere Tony Cragg-Arbeiten gilt natürlich weiterhin: Wenn Sie Kunstwerke dauerhaft erhalten wollen, dann ist es nicht gut, wenn die Besucher mit Haut, Ringen oder etwas anderem Spuren auf diesen Werken hinterlassen. Wenn es darum geht, die Arbeiten in einem absolut einwandfreien Zustand zu erhalten, dann scheidet eine Berührung aus. Das, was wir hier jetzt machen, ist nur durch das Engagement des Künstlers möglich. Deshalb sind es auch alles nur Arbeiten von Tony Cragg selbst, nicht von anderen Leihgebern. Es ist vollkommen klar, dass Cragg die Arbeiten anschließend wird überholen müssen. Das ist mit „eingepreist“. Und wenn man das von Anfang an transparent macht, findet man da auch Lösungen mit den Versicherungen. 

Welche Arbeiten aus seinem Formenuniversum hat Tony Cragg zur Verfügung gestellt?

Es ist ein breites Spektrum aus den letzten 30 Jahren. Es sind alles Arbeiten, wo die Berührung auch „sinnvoll“ ist. Wir haben ja bei der Skulptur generell und gerade im öffentlichen Raum einen Zielkonflikt. Wenn da Bronzeskulpturen stehen, haben die oft helle Stellen, die entstehen, wenn viele, viele Menschen das Bedürfnis verspürt haben, sie zu berühren. Für das Grundkonzept der Ausstellung war eine Beobachtung wichtig: Wenn ich Privatsammler besuche, und sie zeigen mir ein Gemälde, dann treten sie immer zurück. Man betrachtet das Gemälde mit Abstand. Wenn es um eine Skulptur geht, dann habe ich es noch nie erlebt, dass ein Privatsammler seine Arbeit nicht angefasst hätte. Es gibt immer diese Berührung. Und diese Berührung impliziert – auch unbewusst – eine Verbindung zu dem Objekt. Was mir was wert ist, das möchte ich auch anfassen. Im Deutschen gibt es diese schönen Begriffe wie „Erfassen“ und „Begreifen“. In beidem ist das Verstehen enthalten, aber auch die haptische Berührung. Wenn man da auf die Sprache hört und mit offenen Augen durch die Welt läuft, dann ist die These nicht zu gewagt, dass beides miteinander zusammenhängt. Es kann sein, dass diese Ausstellung für viele Menschen etwas ganz Besonderes sein wird. Auch im Verständnis und dem Sich-Nähern an Skulpturen. Deswegen gehen wir dieses Experiment gemeinsam an. 

Interessant dürfte die Ausstellung auch für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen sein.

Ja, für Blinde wird es auch einen extra Guide geben, das ist auf jeden Fall mitgedacht. Aber es ist keine Ausstellung, die sich vor allem an nicht sehende Menschen richtet. Es geht auch darum, den Tastsinn zu schärfen. Marmor fühlt sich beispielsweise vollkommen anders an als eine Stahlarbeit und Stahl wiederum ganz anders als Bronze. Und Tony Cragg experimentiert mit Materialien und der Form von Oberflächen, die sind ihm sehr wichtig. Das sind Arbeiten, die mit geschwungenen, ausladenden Formen, die mit Hohlräumen arbeiten und ganz stark an den Betrachtenden appellieren, sie zu berühren. Das ist etwas, das ich immer beobachte.

Für die Besucher und die Aufsicht ist das vermutlich eine ganz neue Erfahrung, die man ihnen aber später wieder abgewöhnen muss, oder?

Ich habe keine Sorge, dass die Besucher anschließend bei uns im Haus oder in anderen Häusern ihr Recht auf Berührung geltend machen. Das ist etwas Besonderes und als solches wird die Ausstellung entsprechend kommuniziert. Ich bin eher gespannt, ob die Besucher meiner Analyse folgen und es wirklich das Bedürfnis nach Berührung gibt. Für die Aufsicht ist das sicher eine entspannte Ausstellung. 

Keine Angst vor Klimaaktivisten? Sind die Arbeiten von Tony Cragg abwaschbar?

Da müssen sie den Künstler fragen. Aber das wären die ersten Klimaaktivisten, die sich an eine Skulptur kleben. Und bisher sind die auch nicht so an Gegenwartskunst interessiert. In der Regel sind das Positionen, die vor 1900 liegen. Also alte Meister. Wenn man sich die Aufregung, die es im letzten Jahr in puncto Klimaaktivisten in Museen gab, anschaut, das hat sich mittlerweile ein bisschen verlagert.

Tony Cragg: Please Touch! | 22.2 . -  26.5. | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Interview: Peter Ortmann

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