Dass abstrakte Kunst so anschaulich von der menschlichen Existenz, so intensiv von Kargheit und Zerstörung berichten kann! K21 im Ständehaus, die Dependance der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, zeigt derzeit eine Werkschau des italienischen Künstlers Alberto Burri (1915-1995) mit Schwerpunkt auf den 50er bis 70er Jahren. Seine Kunst hat ihren Anlass. Burri, der eigentlich Tropenarzt werden wollte, war im Zweiten Weltkrieg als Feldarzt tätig. Er gelangte in Tunis in amerikanische Gefangenschaft und wurde in ein Gefängnis nach Texas gebracht. Dort hat er sich entschieden, Kunst zu machen: Nach einer kurzen Phase konventioneller Malerei findet er in Italien im ungegenständlichen Materialbild den angemessenen Ausdruck für seine Zeit und für das Leid, das er erlebt hat. Hinzu kommt die Erfahrung des Faschismus in Italien und gewiss auch die Armut der Menschen nach dem Krieg. Indem er auf alte, beschädigte, „verbrauchte“ Materialien zurückgreift, Risse und Schnitte in der Oberfläche zulässt oder vornimmt und das Bild zum Relief erweitert, tritt er demutsvoll auf und ist doch künstlerische Avantgarde. In Italien wird er der Strömung des Novecento zugerechnet und international auch als Vorreiter der Arte Povera verstanden. Seine Materialbilder bestehen, teils in mehreren Schichten, aus Fetzen von Jutesäcken und Stoffen oder Eisenblechen und verkohlten Hölzern, die scheinbar planlos zueinander angeordnet sind. Die Nägel zur Befestigung wirken einerseits wie Verletzungen, andererseits sind sie Struktur im Bildgeschehen. Burri braucht für seine Malerei kaum Farbe, meist reichen ihm die Materialtöne mit ihren Versehrungen und Ausfransungen. Partiell bleibt die Leinwand unbehandelt stehen, Teer wird dann doch zu einer Farbe, mitunter streicht er ganze Felder schwarz oder weiß: Die Dichte des Farbauftrags und das Verweben mit den Kanten der Eisenstücke oder Sackleinen führt auch da zu einer fast körperlichen Präsenz.
Sinnvollerweise ist die Ausstellung entsprechend der Chronologie nach dem jeweils dominanten Material gegliedert. Mit der umfassenden Verwendung von verbrannter Plastikfolie werden die Bilder später ganz schwarz, auch arbeitet er in Weiß mit einheitlichen, durch Risse getrennten Blöcken. Dies führt wiederum, in den 80er Jahren, zu monumentalen schwarzen Bildern, auf denen eine plane Fläche verschoben ist. Die anfängliche kraftvolle Unruhe ist damit vollkommener Stille gewichen. – Alberto Burri war in den Nachkriegsjahrzehnten in der Kunstwelt superpräsent, er wurde zur documenta wie auch zur Biennale Venedig eingeladen. Die Zeitgebundenheit seiner Arbeit ist allerdings auch der Grund dafür, dass er hierzulande nahezu vergessen und schon lange nicht mehr ausgestellt wurde. Jetzt, als Klassiker, könnte sich das vielleicht ändern.
„Alberto Burri – Das Trauma der Malerei“ | bis 3.7. | K21 Ständehaus Düsseldorf | 0211 838 12 04
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