Die Bestürzung hätte nicht größer sein können. Gerade noch sind die Tanzhauspläne in Köln zerplatzt, da rappelt sich die Freie Szene unverdrossen auf und schließt sich in einem Kraftakt zum Netzwerk tanzköln zusammen. Das entwickelt einen solide konzipierten Tanzentwicklungsplan. Es setzt eine ganz neue Art von Dialog zwischen Kreativen und Verwaltung ein, wie von alle Seiten bezeugt wird. Ein Beirat wird gegründet, in dem Verwaltung und Vertreter der Szene dem Rat Entscheidungshilfe bei der Mittelvergabe leisten sollen.
Und dann entscheidet der Beirat, dass die Förderinstrumente gar nicht maximal ausgeschöpft werden sollen. Statt sieben möglicher Förderungen, die sich über drei Jahre erstrecken, vergibt man nur eine Förderung an fünf Ensembles. Eine Entscheidung, die etwa das movingtheatre.de mit Wucht trifft. Eine Gruppe, die mehrfach den Kölner Tanzpreis gewann und stets zu den Nominierten zählt, steht nun vor dem Aus. Aufsehenerregende Tanzdarbietungen mit einem brillanten Emanuele Soavi und immer wieder hochklassigen internationalen Tänzern brachte das Ensemble auf Kölner Bühnen. Man präsentierte die eigenen Premieren tapfer in der Domstadt und nicht in Düsseldorf und Essen. Jetzt wird die Truppe mit Streichung abgestraft, auch dafür, dass sie zwar internationale Netzwerke knüpft und ausländische Gruppen nach Köln lockt, aber selten hinter der unmittelbaren Stadtgrenze in NRW auftritt.
Gleichwohl gibt es an den Entscheidungen des Beirats nichts zu orakeln. Sie enthalten glasklare Signale: Das movingtheatre.de – die Gruppe mit dem größten Publikumszuspruch in der Szene – wird als künstlerisch nicht gut genug für die Förderung befunden. Außerdem stellt man die Zeichen auf kurzfristige Förderung und nicht auf langfristige Planungssicherheit. Das Beispiel zeigt: Bewährte Truppen können schnell im Regen stehengelassen werden.
Das wird auch vor dem Hintergrund einer Information deutlich, in der das Kulturamt betont, dass die nicht ausgeschöpften Förderungen keineswegs für die erwartet schweren Zeiten in den Sparstrumpf wandern. Vielmehr sollen mit ihnen Einzelprojekte unterstützt werden. Das heißt, der Beirat möchte selbst Politik machen und die Szene gestaltend durchkneten.
Denn die langwierigen Konzeptionsförderungen binden ja die Gelder, während man mit dem Zuschuss für Einzelprojekte Geschmacksurteile abgeben kann. Man setzt Akzente, entscheidet sich allerdings gegen Strukturen. Diesen Kurs kann man fahren, im Grunde entspricht er der bisherigen Praxis eines Managements des Notstands. Allerdings muss man sich dann die Frage stellen: Sind die Räte und Verwaltungen für die Unterstützung der künstlerischen Arbeit da, oder ist die Szene dazu da, als anregendes Biotop von der öffentlichen Hand arrangiert zu werden?
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