Schaut man auf das aktuelle Programm von Urbäng, dem Festival für performative Künste in Köln, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Veranstalter dem Theater abgeschworen hätten. Vom 5. bis 8. Oktober steht die Ukraine im Zentrum und Konzerte, Lesungen und Talkrunden sind angesagt. Gleich zu Beginn findet ein hochkarätig besetzter Dialog in der Orangerie statt. Die beiden Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Navid Kermani und Serhij Zhadan, sprechen über die Rolle, die Literatur in Zeiten des Krieges spielen kann.
Auf den zweiten Blick könnte gerade diese Ausgabe auf besondere Weise an den Kern der Schauspielkunst führen. „Denn die Theaterleute müssen neue Darstellungsmittel finden“, erklärt Andre Erlen, einer der Gründer des Ensemble-Netzwerks der Freihandelszone, die das Festival ins Leben rief. „Wir sehen diesmal vielleicht eher verhindertes Theater. Das Rohe, Unfertige beschäftigt uns. Es tun sich Fragen nach der Bedeutung des Theaters in der Welt auf. Wie geht man mit der Wirklichkeit um? Wie findet man einen künstlerischen Blick auf das Grauen? Was ist nun angesagt, Reflexion oder Reaktion?“ Andre Erlen betont, wie schwierig es sei, Distanz zum Geschehen zu finden. Die Chance der Reflexion ist oftmals nicht mehr gegeben, stattdessen will man aussprechen, was einen im Innersten bewegt.
Serhij Zhadan ist ein Autor, dessen Werk aus der Erkundung der östlichen Grenzlinie der Ukraine hervorgegangen ist. Er unterstützt sowohl die Flüchtlinge als auch die Armee in Charkiw. Mit Oleh Kadanov und Yevhen Turchynov wird er am 5.10. ein Konzert in der Orangerie geben. Einen Tag später begibt sich das Musiktheater Dash Art aus London auf die Suche nach den „Songs for Babyn Yar“. Die Texte wurden von der Kölner Autorin Mariana Sadovska ins Deutsche übertragen. Die Produktion erinnert an die Ermordung von 33.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern in der Schlucht von Babyn Yar durch deutsche Soldaten vor 81 Jahren.
Ein dramatisches Ereignis dürfte die Performance „Chronicle of Love, War and Hatred“ werden, die in Zusammenarbeit des WE:media theater aus Lemberg und des post:theater aus Berlin entstand und eine multimediale Dokumentation präsentiert. Seit Beginn des Krieges werden die Zerstörung und die Trauer der Zivilbevölkerung von den Theaterleuten mit der Kamera in Bildern, Interviews und Recherchen festgehalten.
Urbäng! 2022 | 5. - 8.10. | Orangerie Theater | 0221 952 27 09
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