„Was im trailer steht, ist doch gelogen! Außerdem: Das ist doch ein Filmblättchen. Was mischen die sich denn in die Politik ein?“ Lena lehnt lässig am Kühlschrank, hat eine Hand in die Hüfte gestemmt. Mit der anderen macht sie eine wegwerfende Bewegung, während sie spricht. Wir ignorieren beide, dass sie in dieser Hand einen Plastikbecher mit einer Rum-Cola-Mische hält und mit ihrer Geste ein nicht unerhebliches Geklecker angerichtet hat.
Ohnehin denke ich mir gerade, wie passend es doch ist, dass sie Lena heißt. Ob sie das wirklich nur der Alliteration wegen macht, dieses lässige Lehnen? Würde sie sich anders verhalten, wenn sie anders hieße? Ich lenke meine Gedanken zurück zum Thema. „Erstens stimmt das nicht, der trailer war schon immer auch ein Meinungsmagazin, und zweitens steht da ja dasselbe drin wie in anderen Medien, in der Süddeutschen oder im Stern zum Beispiel.“
„Ist doch alles Lügenpresse“, sagt Lena, während sie langsam aus der Küche hinausgeht. Wohl damit keiner bemerkt, dass sie für die Sauerei in der Küche verantwortlich ist. Ich kenne Lena gut genug, um zu wissen, dass sie das Wort „Lügenpresse“ nicht im Pegida-Sinn gebraucht. Oder? Sie bemerkt meinen skeptischen Blick. „Ja, oder nenn es halt Fake News. Das ist dasselbe“, sagt sie. Da hat sie einen Punkt. Der Vorwurf ist identisch, nur das Vokabular unterscheidet sich je nachdem, ob man eher links oder rechts steht. „Egal“, setze ich an und folge ihr ins Wohnzimmer, wo weniger Leute reden, aber mehr Leute tanzen oder sich wenigstens im Takt wiegen. Ich fahre fort: „Auch die wissenschaftlichen Quellen sind da eindeutig.“
Was ins Weltbild passt
„Pah! Auch die Wissenschaftler sind doch alle gekauft.“ Ich rolle mit den Augen. Das wird mir zu anstrengend. „Ich habe eine großartige Idee: Wir wechseln das Thema“, zitiere ich den Märzhasen von der verrückten Teeparty aus dem Disney-Trickfilmklassiker Alice im Wunderland, was mir irgendwie gerade passend erscheint. „Ja klar. Wird eh Zeit, dass wir die Pappen einnehmen!“
Lena reicht mir ein klitzekleines Stück bunt bedrucktes Löschpapier.
„Wusstest du, dass LSD Psychosen heilen kann?“, fragt sie mich dabei.
„Wer sagt das? Die Wissenschaftler, denen du nicht traust?“
„Ja. Sind übrigens dieselben, die widerlegt haben, dass Frauen 20 Prozent weniger Geld für dieselbe Arbeit verdienen.“
Lena wusste, dass mich diese Erkenntnis vor einiger Zeit getroffen hatte. Es hat mich durchaus erschüttert, als ich erfahren habe, dass der sogenannte Gender Pay Gap von rund 20 Prozent nicht bedeutet, dass Frauen für dieselbe Arbeit ein Fünftel weniger verdienen als Männer, sondern insgesamt, weil sie etwa öfter halbtags arbeiten oder in schlechter bezahlten Berufen unterwegs sind. Das ist zwar immer noch doof, aber die Medien, denen ich vertraut habe, behaupten immer noch was anderes. Sie schieben es auf das Patriarchat. Aber müssten Unternehmen nicht nur Frauen einstellen, wenn diese weniger verdienen? So funktioniert doch der Kapitalismus. Oder gibt es eine Verschwörung der Männer gegen die Frauen? Wenn ja, warum bin ich als Mann nicht eingeweiht?
Wem kann ich vertrauen?
Suchen wir uns alle nur die Fakten aus, die in unser Weltbild passen? Wann ist Hinterfragen kritisch, wann ist es Verschwörungsgeschwurbel? Sah Lena schon immer aus wie das uneheliche Kind von Richard Nixon und Edward Snowden? Und wie klasse ist es eigentlich, dass die Firmenfeiern der Deutschland GmbH (Abteilung Adrenochrom-Ausgabe) diese entspannte WG-Party-Atmosphäre haben und es gratis Psychodrogen gibt?
Lena findet das anscheinend auch stark, denn sie heißt jetzt Greta, damit sie genüsslich grinsen kann. Dann beginnt sie zu verschwinden. Nur das Grinsen, das bleibt.
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