Eigentlich ist es todtraurig. Andererseits sollten sich die Musikfreunde freuen. Karten fürs Konzert und für die Oper werden momentan verramscht. Der Eindruck entsteht, weil Gutscheine für die subventionierten Tempel allüberall angepriesen werden. Besonders das Flaggschiff aller Subvention, die Kölner Oper, trägt selbst an Premierenabenden klaffende Wunden im Parkett. Und das in einer Spielzeit, in der alles besser und wichtiger und erfolgreicher sein sollte. Immerhin hängt der Atem des neuen Intendanten Uwe Eric Laufenberg spürbar über allen Aktionen rund um die Oper. Auch sichtbar wird der Neuanfang: Die Entfernung der wunderbaren Institution „Kinderoper“ aus der Wandelhalle wirkt wie ein Befreiungsschlag. Die Lunge, die Luft gibt in der Pause, ist tatsächlich von einem riesigen Karzinom befreit. So schön die Kinderopernzeit am Offenbachplatz war, es war ein Verbrechen an der Architektur – das wird jetzt erst wirklich spürbar. Wir danken dem Intendanten für diesen vorangetriebenen Schnitt.
Auf der Bühne spielt Laufenberg momentan den Weihnachtsmann. Für sich selbst hatte er das dickste Geschenk gepackt, eine Festinszenierung von Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“. Hier geht es genau um den Konflikt zwischen Bewahren und Verknöchern. Und Laufenberg gelang der Dreh, zwischen den Konservativen und den Erneuerern zu vermitteln. In mittelalterlichen Kostümen in güldenen Säulenhallen hebt die Oper an, aber eine Figur aus dem Jetzt bahnt sich den Weg aus dem Zuschauerraum zwischen die singend agierenden Gestalten –, und er spielt plötzlich mit. Laufenberg schenkt satte Bühnenbilder und Kostüme, aber nur mit einer Irritation: Bühnenkunst ohne Entwicklung ist Kunstgewerbe. Das wird nicht subventioniert.
In einer Wiederaufnahme von Christoph Loys „Carmen“ setzt der Intendant auf die magnetische Magie dieser Volksoper, in der die Bekanntheit der Melodien allein schon besoffen machen kann. Und er holt für die erste Aufführung einen Star: Vesselina Kasarova. Laufenberg hat große Stimmen versprochen, und er bringt sie. Allerdings singt die Diva – wie schon vorher in Wien – die aufrührerische Inszenierung in Schutt und Asche. Beim Hobeln fallen Späne, hinterher sind auch Intendanten immer schlauer. Dafür gewinnt die Wochentagsbesetzung der Carmen mit großem Feuer.
Der nächste Zug brachte eine klassische Jean Pierre Ponnelle-Inszenierung an den Start, die für die Staatsoper in Wien geschaffen wurde. Die Muselmanen tragen putzige Riesenturbane. Sie sehen aus wie Außerirdische, und das waren sie zur Entstehungszeit von Rossinis Oper „Italienerin in Algier“ auch. Türken, Eunuchen und Mohren füllen die prächtigen Kostüme zwischen arabesken Bauten. In allen drei empfehlenswerten Inszenierungen wird beachtlich gesungen, tatsächlich auf einem gehobenen Niveau für Kölner Ansprüche. Die Mixtur aus Neuentdeckung und bewährtem Urviech geht nicht immer gut aus, aber besonders in Algier herrscht gute Stimmung unter den zahlreichen Rollendebütanten.
Beckmesser, der übrigens in der aktuellen Inszenierung urkomisch gespielte Kulturwächter in den Meistersingern, wird wie im Stück auch in Kölns echtem Opernleben schmählich vertrieben werden. Der Intendant lockt mit reifen Früchten, im Keller putzt er die Waffen.
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