„Ja, ja! Ich war unartig, ja!“ schreit Unbekannter Nummer 1, – sich selbst auspeitschend – während er am Unbekannten Nummer 2 vorübergeht. Was mit Bernie und Ert, Figuren der Freitag Nacht News der späten Neunziger, verspielt überzeichnet wird, ist Teil einer Szene, die es eher härter mag und beispielsweise in Darkrooms Zuhause ist. Spätestens seit dem Bestseller „Fifty Shades of Grey“ und seiner Verfilmung erfährt sie einen regelrechten Medienhype. Im dessen Mittelpunkt stehen Bondage und Discipline, Dominance und Submission, Sadism und Masochism, kurz (BDSM). Wer Masochist oder Sadist ist, sich also lieber unterwirft oder herrscht, liegt ganz im Menschen selbst verankert. Einige lieben auch das Wechselspiel, agieren mal dominant und mal devot.
Zu Entfesselungskünstlern à la David Copperfield werden die Teilnehmer im BDSM dabei ganz und gar nicht. Vielmehr steigert sich ihre Lust, indem sie die Grenzen des zu Erfahrenen ausreizen – den Schmerz zunächst aushalten, dann genießen und schließlich noch weiter zu steigern. Der Fantasie der Partner sind dabei keine Grenzen gesetzt: Fest verankert angebunden, von der Decke hängend, in Lack oder Leder gehüllt, eng Zuschnürendes tragend: Der Masochist, auch Bottom genannt, bestimmt Art und Intensität des Schmerzes während der jeweiligen Session selbst. Der Sadist, Top, führt sie aus. Aber es gibt strenge Regeln, die dabei von den Teilnehmern einzuhalten sind – getreu dem Motto SSC: safe – sane – consensual. Persönliche Grenzen müssen gewahrt und Praktiken im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden. In Clubs oder auf Sado-Maso-Parties gibt es Gelegenheiten, sich auszuprobieren, geschützt vor den Blicken von Spannern. Dazu sind die Räume vor Ort mit entsprechendem Equipment ausgestattet, das sich im eigenen Zuhause nur schlecht unauffällig montieren lässt. Zu nennen wären hier Liebesschaukeln, sogenannte Slings, oder Käfige.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Grenze wird bereits im verwendeten Medium wie etwa Fesseln, Peitsche oder der jeweiligen Szenerie klar. Der devote Partner kann sich einer Situation nicht entziehen, ergibt sich ihr und kann die aufkeimende Lust in unterschiedlich langen Etappen hin bis zur Ekstase steigern. Alltagsgegenstände wie Wäscheklammern können dabei ebenso zum Einsatz kommen wie medizinische Instrumente, zum Beispiel Wartenbergräder – ursprünglich von Neurologen zum Testen der Schmerzwahrnehmung eingesetzt. Im Vordergrund der Erfahrung des BDSMler stehen intensive Sinneseindrücke und physische Schmerzen. Dabei werden bei ihnen Endorphine frei, die einem orgastischen Hochgefühl ähneln. Die Session muss dabei nicht immer mit Sex enden. Einige Masochisten empfinden es als erfüllend, nur den Schmerz zu durchleben.
Vielfach missverstanden wird, dass eine Rolle im BDSM nicht das Äquivalent auf beruflicher oder familiärer Ebene bedeuten muss. Ein sexueller Masochist ist nicht gleich ein unterwürfiger Familienvater, der von seiner Partnerin daheim auch dominiert wird. Die sexuelle Rolle ist eine Rolle im Leben der Person. Mehreren Rollen zu entsprechen, ist im Alltag kein Problem. Wir alle tun das. Nur, wenn es zu Rollenkonfusion kommt, kann es knifflig werden. Angenommen, der straighte Top-Manager landet plötzlich bei einer Domina, die im wahren Leben seine Angestellte ist. Dann stellt sich die Frage: Welche Rolle soll er einnehmen? Masochist oder dominanter Boss?
Klar ist: Nicht jeder Sadomasochist trägt Leder, und Dominas sanktionieren nicht ausschließlich mit der Peitsche. Ernsthafte Körperverletzungen sollten jedoch kein Bestandteil einer Session sein. Strafrechtlich relevant wird es nur, wenn jemand gegen seinen Willen zu Schaden kommt und diesen auch meldet. Was zu Zeiten Marquis de Sades, des Namensgebers für den Sadismus, noch mit Gefängnis bestraft wurde, ist heute allerdings bei Weitem noch nicht salonfähig. Innerhalb der Gesellschaft offen zu den eigenen sadomasochistischen Neigungen stehen, das kommt für Anhänger der Szene aufgrund fehlender Aufklärung und reißerischer Berichterstattung immer noch kaum infrage. Zu mächtig ist die Orientierung an klassischen Rollenbildern und Lustidealen, zu stark die Angst vor dem Verlust des eigenen Status und vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Unterschwellig mag das Gefühl mitschwingen, nicht der Norm zu entsprechen. So bleibt das Geheimnis meist verborgen und wird nur mit dem Partner oder innerhalb der Community gelebt.
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