Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und man erinnert sich, dass das Leben schön sein kann. Tim Behren scheint zufrieden. Gemeinsam mit Florian Patschovsky gründete er Overhead Project, jenes Tanz- und Akrobatikensemble, das jetzt den renommierten Tabori-Preis gewann. Den Sonnenschein genießt Tim Behren aber auch, weil nach einem Jahr Planung, einem weiteren Jahr digitaler Präsenz nun erstmals das Circus Dance Festival vor Publikum stattfinden kann. Im letzten Sommer reisten zwar die Künstlerinnen und Künstler in Köln an, aber sie mussten ihre Performances vor leeren Rängen zeigen. Wie ein kleines Zirkusdorf ist das reizvolle Gelände am Rhein bestückt. Neben drei Zelten gibt es ein Open Air Kino, Plätze zum verweilen und Food Trucks für die gastronomische Versorgung des Publikums.
Das Programm in der Woche vom 2. bis 6. Juni bietet Spektakuläres. „Schön ist die Fülle an Tanzschaffenden, die wir für das Festival gewinnen konnten“, erklärt Tim Behren bescheiden. Zwanzig Produktionen dieser neuen Kunstform werden zu sehen sein, neben den deutschen Ensembles erwartet man Gäste aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und Panama. Von dort reist das Ensemble La Tribu an, das auf der 360 Grad-Bühne in acht Metern Höhe mit Gegengewichten ein Luftsolo zeigen wird. „Im Zentrum des Programms steht die Auseinandersetzung mit dem Körper, und jetzt aus aktuellem Anlass, besonders der Blick auf seine Verletzbarkeit“, erklärt Tim Behren. Nicht alleine die großartige eigene Produktion von Overhead Project „My Body is Your Body“ getanzt von zwei Männern und einer Frau, verbindet auf wunderbare Weise Zartheit, Kraft und Grazie. Oftmals sind die Körper unbekleidet, wobei Nacktheit nicht so sehr mit dem Begriff der Freiheit als mit eine Vorstellung von Selbstbewusstsein assoziiert wird. „Es sind politische Körper, die auf vielfältige Weise gesellschaftlich geprägt sind“, erläutert Behren.
Das trifft vor allem auf seinen Stargast zu. Laura Murphy aus Bristol pflegt einen offensiven Umgang mit ihrem Körper. Sie vereinigt in ihrer Performance Feminismus, Provokation und Comedy mit atemberaubenden artistischen Darbietungen am Seil. Kritisch schaut sie auf „weiblich gelesene Körper“ wie es das Programmheft bedachtsam formuliert. Gesellschaftliche Diskurse werden in jedem der Beiträge thematisiert. Oftmals spielen die für die Bürger neu zu erobernden Räume in unseren Städten eine Rolle. So untersucht der Schweizer Julian Vogel unser Verhältnis zu Gegenständen, die sich drehen oder fliegen. Körper im Dialog mit den Elementen balanciert Jörg Müller hingegen mit seiner Performance in einem mit Wasser gefüllten Glaszylinder. Das Circus Dance Festival dürfte jedenfalls nicht nur eine Herausforderung an den Tanz, sondern auch an die Philosophie darstellen.
Circus Dance Festival | 2.-6.6. | Overhead Project | An der Schanz 6, Köln
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