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Claire-Louise Bennett
Foto: Marc Walsh

Der Ernst der Sprache

30. Mai 2023

Claire-Louise Bennetts Roman „Kasse 19“ – Textwelten 06/23

Fünf Jahre sind vergangen, seit Claire-Louise Bennetts literarisches Debüt „Teich“ in Deutschland erschien. Seither werden ihre Texte, die aus einer Art autobiographischem Schreiben bestehen, in hymnischen Rezensionen gefeiert. In ihrer Prosaskizze „Teich“ erzählt sie von einer jungen Frau, die sich nach einigen beruflichen und persönlichen Enttäuschungen in ein einsames Bruchsteinhaus am Rande der irischen Grafschaft Galway zurückgezogen hat. Das Buch beschreibt das Leben in einem Zustand der Ereignislosigkeit, in dem das Alleinsein unweigerlich die Wahrnehmung schärft. Wie gelingt es, das zu beschreiben, was wir täglich erleben und erinnern, ohne dass sich dieses Material zu einer Story rundet? Eine Frage, die auch den Ton ihres neuen Buchs „Kasse 19“ bestimmt.

Der Titel spielt auf einen Job als Kassiererin in einem Supermarkt an, mit dem sich die Erzählerin ihre Studienzeit finanzierte. Dort steckt ihr ein schweigsamer Kunde eine Ausgabe von Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ zu. Wortlos scheint der Mann verstanden zu haben, wer da hinter dem Band sitzt. Die Literatur stellt so etwas wie das Rückgrat der ansonsten prekären Existenz dieser jungen Frau dar, die sich, ihren Körper und die Welt zu verstehen versucht. Die Sprache bildet den Schlüssel dazu. Gleich das erste Kapitel – das Mädchen geht noch in der Arbeiterstadt im Westen Englands zur Schule – erzählt vom Umgang mit den Büchern und der Lust an den Worten. Alles wird verschlungen, neben der englischen, französischen oder deutschen Literatur sind es die klassischen Texte der Philosophie und des Feminismus, die dieses Frauenleben begleiten. 

Die Prosa der Claire-Louise Bennett wird von einem drängenden Rhythmusvorangetrieben.Sätze werden wiederholt oder bekräftigt. Wichtiger als die Bedeutung ist der Nachdruck, mit dem gesprochen wird. Bennett vermeidet absichtsvoll jede Doppelbödigkeit, auch Metaphern kommen kaum vor.IhreErzählerin bleibt bewusst an der Oberfläche. Alle Anstrengung ist auf die Wahrhaftigkeit ihres Erlebens gerichtet.Dahergibt es Korrekturen oder Einschübe, ganz so, als säße sie ihrer Leserschaft am Küchentisch gegenüber. Deshalb mag man mit dem Lesen auch gar nicht mehr aufhören.

Claire-Louise Bennett: Kasse 19 | Deutsch von Eva Bonné | Luchterhand | 304 Seiten | 22 €

Thomas Linden

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