Es klopft, es brummt, es quietscht, es pfeift, es prustet. Nichts Ungewöhnliches für einen Konzertsaal, in dem sich manchmal mehr als einhundert Musikanten genau zu diesem Zwecke organisieren, um im Normalfall ein möglichst harmonisches Ergebnis zu erzielen: zur Freude des Publikums. Alle diese Geräusche erklingen aber auch häufig unorganisiert, ungestimmt und unerwartet: ein modernes Improvisationskonzert auf Seiten des Publikums. Da sind die explosionsartigen Hustenanfälle, die sich während des angstvollen Versuchs der Unterdrückung zu unbändigen Klanggewalten auftürmen und sich nicht mit Bonbons und nur bedingt durch ein Taschentuch beruhigen bzw. dämpfen lassen. Nebenbei pfeifen Rückkoppelungen von Hörgeräten in den Saal, begleitet vom Knacken der Verriegelungen von Damentaschen, die ihre Brille heraus – knack knack – und auch wieder in die Tasche zurück – knack knack – befördern – bis zum nächsten Blick ins Programmheft. Unglaublich laut in akustisch günstigen Sälen sind auch raschelnde Bonbon-Papiere, die möglichst leise und langsam geöffnet Musikstrecken bis zu einer Minute verknistern können. Ich kenne Musikfreunde, die aus diesen sehr menschlich motivierten Klangszenarien Livekonzerte der Klassik nicht oder nur selten aufsuchen.
Alle diese schnell vertrauten Nebenprodukte eines Konzertes spielen gar keine Rolle, wenn Lärm aus der Umwelt die Kleinigkeiten übertönt. In Kirchenkonzerten überdecken in Innenstädten gern Martinshörner und Polizeisirenen zarte Choreinsätze. Vor Jahren hatte ich die Gelegenheit, ein Konzert in der Philharmonie in Krakau zu erleben. Sie hatte wie ein altes Kino unisolierte Auslass-Türen zur Straße hin. Direkt davor verliefen die Straßenbahngleise, über die sich uralte, im Westen ausgemusterte Waggons schleppten. Hier griff lautstark Eisen in Eisen, das ging durch Mark und Bein und alle Türen. Das Orchester im Raum war teilweise komplett ausgeblendet. Auch ein Sinfoniekonzert in der Halle eines betriebenen Flughafens war keine gute Idee.
Aber zurück zu den Bahnen: Die Kölner Philharmonie setzte sich jüngst gegen die wahrscheinliche Bedrohung durch Fahrgeräusche aus dem neuen U-Bahntunnel zur Wehr, der nur wenige Meter am Konzertsaal vorbeiführt. Warum das erst jetzt passiert, könnte daran liegen, das sich nach dem Archivsturz herumgesprochen hat, dass bei der KVB nicht immer alles so läuft, wie es geplant wurde. Und da der aufmerksame Musikfreund in Momenten geplanter Stille, so genannten Pausen, die einbremsenden Züge des Kölner Hauptbahnhofs als dumpfes Grollen sehr gut wahrnehmen kann – die Konzertgänger kennen dieses mächtige Brummen von Konzerten im Dom auch in laut – , ist die Wahrscheinlichkeit unwahrscheinlich gering, dass ein wenn auch leichterer Zug lautlos im Abstand weniger Meter an der Bühne vorbeirauscht, wie ein Geisterzug auf Flüsterrädern.
Die Düsseldorfer, die in der Deckenkonstruktion ihrer Tonhalle Jahre mit einem nicht fassbaren Klopfgeist verheiratet waren, der besonders bei Klavierklängen gerne mitspielte, haben so radikale wie kostenintensive Lösungen angestrengt. Die Tonhalle klingt heute mit neuer Decke prima. Radikale Lösungen sind auch in Köln nötig, weil es keine Kompromisse, die in Köln Klüngel heißen, geben kann: Der weltberühmte Kölner Konzertsaal ist schon ausreichend mit Nebengeräuschen belastet.
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