Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
30 31 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12

12.583 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Foto: Heribert Corn

Gespräch über die Liebe

30. Dezember 2024

„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25

In einem Zugabteil sitzt dem berühmten Autor Eduard Brünhofer „eine Frau mittleren Alters“ gegenüber. „Eher früheren mittleren Alters“, verbessert er sich schnell. Ein nicht unbedeutendes Detail, wie uns Brünhofer – der hier erzählt – mitteilt, denn er selbst ist um einiges älter. Die junge Frau verwickelt ihn im Zug von Wien nach München in ein Gespräch, das ihm gar nicht recht ist. Das jedenfalls behauptet er im Stillen, denn wir erfahren nicht nur das, was zwischen den beiden gesprochen wird, sondern auch das, was er darüber denkt.

Zunächst stellt sie die gewöhnlichen Fragen zum Schriftstellerleben, aber schnell wird deutlich, dass nicht nur Verehrung im Spiel ist, dazu sind die Fragen zu zielgenau und vor allem hartnäckig. Ihm ist das nur scheinbar lästig, im Grunde weckt es seine Eitelkeit und lockert seine Zunge mehr als er für möglich gehalten hätte. Bald schon sind sie beim Kernthema aller Belletristik, der Liebe. Diese Dialogpassagen lesen sich gut, weil sie Tempo in Daniel Glattauers Roman bringen. Der Österreicher gehört zur kleinen Gruppe von Autoren, die von ihren Büchern leben können. Millionenfach verkaufen sie sich. Auch „In einem Zug“ dürfte durch die Decke gehen. Es ist unterhaltsam, dieses sprachliche Florettfechten zwischen Frau und Mann. Die Direktheit, mit der sie ihn über Liebe und Sex ausfragt, bringt die beiden näher. Wenn da nicht immer wieder zwischen den Gesprächspassagen gedanklich umgerührt werden müsste. In ihnen erklärt uns der nicht mehr junge Herr die Welt und seine Vorlieben.

Letztlich erfährt man nicht viel über die Liebe, etwa warum sie zündet und wie sie den Sex entflammt. Das ist es, was die junge Frau wissen will, während er mit seiner „glücklichen“ Ehe mauert. Den nötigen Sog erhält der Text mit der Erwartung, dass noch etwas kommen wird. Der Zug nähert sich München und mit der verrinnenden Zeit schlägt die Geschichte einige heftige Kapriolen. Glattauer weiß, was er seiner Leserschaft schuldig ist. Trotzdem hätte er etwas mehr riskieren können, denn Liebe und Sex sind auch Erkenntnisweisen. Mit ihnen würde allerdings ein ernster Ton angeschlagen und Glattauer wollte offenbar eher amüsant sein. Ein Kunststück, das ihm gelungen ist.

Daniel Glattauer: In einem Zug | Dumont | Erscheinungstermin: 13.1.25 | 206 Seiten | 23 Euro

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Better Man – Die Robbie Williams Story

Lesen Sie dazu auch:

Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25

Unfall oder Mord?
Jens Prüss-Lesung in der Düsseldorfer Zentralbibliothek

Schriftstellerin im Exil
Maria Stepanova liest bei Proust in Essen

Vorlesestunde mit Onkel Max
Max Goldt in den Kammerspielen Bochum – Literatur 01/25

Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24

Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24

ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24

Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24

Literatur.

HINWEIS