3145 Kilometer erstrecken sich vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko. Mauern und bewaffnete Beamte entlang dieser langen Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko sollen Migration und Drogenhandel verhindern. So befahlen es die US-Präsidenten der letzten Jahre. Und jährlich sterben hier bis zu 500 Menschen, an der Hitze oder durch Gewehrschüsse.
Inmitten dieses Todesstreifens befindet sich die mexikanische Stadt Matamoros. In der Region rund um diesen Ort entstand ein Tanz, vom dem sich Choreografin und Performerin Amanda Piña für ihre Arbeit „Danza y Frontera“ inspirieren ließ. Hier führten die Herren der Welt einst den „Danza de Conquista“ auf, Eroberungstänze, die sie auf früheren Feldzügen kennenlernten und mit denen die Invasoren nun die Macht der spanischen Krone demonstrierten.
Für die indigene Bevölkerung signalisierte die Teilnahme an diesem Tanz Unterwerfung und Demütigung. Schließlich drückten die Eroberer damit ihre rassistische und koloniale Ideologie aus. Doch in indigen geprägten Orten Mexikos wird der „Danza de Conquista“ noch heute abgehalten, um die kolonialen Verbrechen zu vergegenwärtigen und aufzuarbeiten. Auch deswegen betrachtet Amanda Piña diese Tanzform trotz ihrer brutalen Geschichte „als eine Form des Widerstands gegen koloniale und später neoliberale Kräfte“.
Piña verortet diese marktradikalen Herrscher nicht nur in den USA. Schließlich wurde sie in Chile während der Militärdiktatur geboren. Unter Pinochet wurde nicht nur die neoliberale Wirtschaftsschule wie in einem Labor erprobt, bevor diese von Thatcher, Reagan und Co. zur Doktrin erhoben wurde.
In Chile ließen die Regierungen zudem bis in die Gegenwart hinein einen Bergbau zu, der keine Rücksicht auf Mensch und Natur nahm. Wasserverschmutzung und chronischen Erkrankungen prägen seitdem den Alltag. Damit sowie mit den Folgen des Klimawandels in Lateinamerika konfrontierte Piña das Publikum in ihrer Performance „Climatic Dance“, die – genauso wie „Danza y Frontera“ – zur Reihe „Endangered Human Movements“ gehört. In beiden Arbeiten rückt sie den Tanz in soziale, politische und ökologische Zusammenhänge, es geht um eine Dekolonisierung der Körper.
Danza y Frontera | R: Amanda Piña | 27. - 30.8. 20 Uhr | PACT Zollverein | www.ruhrtriennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tanzen, auch mit Prothese
Inklusive Tanzausbildung von Gerda König und Gitta Roser – Tanz in NRW 01/25
Die Erfolgsgarantin
Hanna Koller kuratiert die Tanzgastspiele für Oper und Schauspiel – Tanz in NRW 12/24
Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Gegenwart einer Gegenkultur
„Pump Into The Future Ball“ in der Jahrhunderthalle Bochum – Tanz an der Ruhr 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache in Köln – Tanz in NRW 07/24
Supergau?
Die Kölner TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Vor der Selbstverzwergung
Ausstellung zu den „Goldenen Jahren“ des Tanzes in Köln – Tanz in NRW 06/24
Philosophie statt Nostalgie
Das Circus Dance Festival in Köln – Tanz in NRW 05/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24