Eine solch prompte Standing Ovation hat die Kölner Oper wohl selten erlebt. Kaum waren die letzten Klänge von Karl Orffs „Carmina Burana“ verklungen, da sprang das Publikum auch schon auf. Die 129 Stars des Abends - Schüler aus Köln und Düren im Alter zwischen 12 Jahren und der Abitur-Reife – traten glückstrahlend an die Rampe. Royston Maldoom hat sie glücklich gemacht, nicht nur sie, auch das Publikum, die Musiker und den Intendanten Uwe Eric Laufenberg mit einem vollen Haus und einem unvergleichlichen Echo jugendlicher Begeisterung.
Maldoom weiß halt, wie man es macht. Orffs Komposition kennt der Engländer gut, schon mehrfach hat er Choreographien zu ihr entworfen. Die mittelalterlichen Lieder, ihre kurzen Texte in Bilder und Bühnensituationen zu gießen, die so prägnant wie die Vignetten und Holzschnitte sind, die den Handschriften aus Benediktbeuren hätten beigegeben werden können, das gelingt ihm. Und die Kinder agieren auf der Bühne so sicher, dass sich die Frage nach Perfektion und Kategorien wie Richtig oder Falsch gar nicht stellen. Die Erfolgsformel liegt in dem Fingerspitzengefühl, mit dem Maldoom genau jenen Grat beschreitet, an dem Fähigkeiten der Kinder und das Anforderungsprofil der Produktion zueinander finden. Maldoom weiß halt, was die Kids können.
Die Aktionen auf der Bühne stellen sich fast durchgängig über Massenszenen her. Maldoom versteht mit Effekten zu spielen, so taucht das Motiv des Schicksalrads in vielfachen Formen auf. Manches ist auch zu griffig bebildert, wird dann aber schnell wieder vom vitalen Fluss der Bewegung überspült. Die Masse bleibt bei Maldoom nicht bloß ornamental, sondern handelt, entwickelt Ideen aus sich selbst heraus. Der Engländer lässt sich zudem von Hieronimus Bosch und Pieter Bruegel inspirieren, die Kostüme von Ruth Pulgram sind schön auf Jungen und Mädchen zugeschnitten. So können in den Bildern Akzente zwischen Groß und Klein oder durch das tändelnde Spiel der Geschlechter gesetzt werden. Dass es in der mittelalterlichen Welt in Liebesdingen unverkrampft zuging, deutet man diskret und doch originell an. Die dramatischen Passagen zu Fortuna zeigen den Tod bei der Ernte, aber nicht mit der Sense, sondern beziehungsreich mit einer Fahne, und dabei schaut er aus wie Darth Vader.
Der Tenor des Abends wendet sich jedoch von der düsteren Seite des orffschen Mittelalterpanoramas ab. Helle Farben – die Kinder tanzen letztlich in ihren sommlichen T-Shirt-Kleidern – geben einen freudigen Ton vor. Markus Stenz und das Gürzenich Orchester schenken der Inszenierung sympathische Bodenhaftung, damit das Spiel nicht zu leicht wird. Eine musikalische Fassung bieten Sopran Anna Palimina, Tenor Martin Koch und Bariton Miljenko Turk, die außerordentlich zart und dabei fein konturiert singen. Der Kinderchor der Liebfrauenschule freut sich am Ende mindestens so ausgelassen über den Erfolg, wie das Heer der jungen Tänzer. Mit solch gutgelaunten Spektakeln lockt man Kinder und Jugendliche für alle Zeiten in das weite Land der musikalischen Verheißungen.
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