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Zerfließende Protagonistin in Léa Murawiec‘ „Die große Leere“
Foto: Edition Moderne

Große Werke bei kleinen Verlagen

13. Juli 2023

Comics sind nach wie vor ein Risikogeschäft – ComicKultur 07/23

Alison Bechdel war lange Zeit vor allem durch den Bechdel-Test bekannt. Der testet die Repräsentation der Geschlechter in Filmen an Hand der Fragen: Gibt es mindestens zwei Frauen, die miteinander reden, und zwar nicht nur über Männer? Er tauchte in einem frühen Strip ihrer langlebigen queeren Serie „Dykes to watch out for“ als Gag auf, hat sich aber schon lange zum spielerischen Instrument der feministischen Filmkritik entwickelt. Auf ihre autobiografische Graphic Novel „Fun Home“ über ihren Vater, die 2006 auf vielen Bestenlisten u.a. der New York Times landete, folgte 2012 „Wer ist hier die Mutter?“. In ihrem neuen Comic „Das Geheimnis meiner Superkraft“ steht sie ganz im Mittelpunkt – und ihr Körper. Denn die nun 60-Jährige outet sich als lebenslanger Sport-Junkie, dessen energetischer Zenit überschritten ist. Bechdel unterfüttert ihren Drang nach Körperlichkeit psychologisch und philosophiegeschichtlich. Das ist mal komisch, mal schmerzlich, aber immer ehrlich und klug. 

Der Comic erscheint bei Kiepenheuer & Witsch, einem großen Verlag mit breitem Programm fast ohne Comics. Abgesehen von ganz wenigen großen Comicverlagen gibt es im deutschsprachigen Raum vor allem viele Klein- und Kleinstverlagen. Zu den kleinen gehört auch die Edition Moderne: 1981 gegründet und noch 2021 als bester Schweizer Verlag gekürt, hat er Comics von international renommierten Künstler:innen wie Jacques Tardi, Joe Sacco, oder Marjane Satrapi veröffentlicht. Doch trotz der Erfolge mussten die vier Mitarbeiter:innen nun die Crowdfunding-Aktion „Too Big to fail“ starten, um weiterhin als dienstältester deutschsprachiger Independent-Verlag bestehen zu können. Mit über 100.000 CHF wurde das Ziel bereits erreicht, und dennoch kann man nicht genug auf die tollen Bücher aus diesem Haus hinweisen. Gerade erscheint mit „Aaron“ von Ben Gijsemans ein Comic, der mit großer erzählerischer Konzentration von der Angst und der Einsamkeit eines jungen Studenten erzählt, der fürchtet, pädophil zu sein. Und mit „Die große Leere“ von Léa Murawiec ist zuletzt ein tragisch-komisches, visuell berauschendes Debüt zum Thema Aufmerksamkeitsökonomie, Prominenz und Soziale Medien erschienen. Die Edition Moderne und ihr tolles Programm mit Comic-Käufen zu unterstützen ist also alles andere als eine selbstlose Tat!

Christian Meyer-Pröpstl

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