Sein Kopf ist voller Worte und Ideen, aber irgendwie wollen diese nicht richtig rauskommen – eine undeutliche Aussprache, Wortfindungsstörungen und -verwechslungen machen es dem kleinen Häwas oft schwer, sich zu verständigen und das auszudrücken, was es sagen möchte. Am 24. September erschienen, lädt die Herbstnovität des Jupiter Verlags ihre Leser:innenschaft auf eine magische Sprachreise ein: Für Kinder ab vier Jahren hat Bestsellerautorin Saskia Niechzial gemeinsam mit Co-Autorin und Logopädin Patricia Pomnitz ein Kinderbuch geschrieben, das sich auf einfühlsame Weise mit dem Thema der Sprachentwicklungsstörung befasst.
Tasse oder Tasche? Bus oder Busch? Es scheint, als würde niemand das kleine Häwas mit dem blauen Lockenkopf verstehen – es bekommt stets die gleiche Antwort: „Hä, was?“. Äußerst feinfühlig beschreiben die Autor:innen, wie sich das Häwas, das eigentlich einen ganz anderen Namen hat, langsam mit der immergleichen Reaktion seiner Mitmenschen identifiziert, und wie sich das auf sein Selbstwertgefühl auswirkt. Die Frustration darüber, sich nicht so ausdrücken zu können, wie es das gerne würde, wird treffend beschrieben und darüber hinaus gezeigt, wie Ärger und Wut losgelassen werden können. „Die Zauberin der Worte“ hilft dem Häwas dabei, seine Unsicherheit und die aus den Negativreaktionen seiner Mitmenschen resultierende Sprechangst zu überwinden: Mit einem magischen Reim, zu dessen Mitaufsagen auch die Leser:innen aufgefordert werden, soll der Hauptfigur geholfen werden. Dabei ist Mut die Hauptzutat des Zauberspruches. Ein schöner Ansatz, der ebenfalls vermittelt wird, ist der, dass sich nicht immer alles um das „Problem“ drehen muss – es darf und soll sich ruhig auch auf die Dinge konzentriert werden, die eine Person gerne mag oder die ihr gut gelingen. All diese Dinge legt das kleine Häwas mit der Zauberin der Worte in eine Schatztruhe. Auf seiner Sprachreise findet das Häwas zu seinem ursprünglichen Namen zurück: Blu.
Illustratorin und Grafikdesignerin Marielle Rusche zeichnet im modernen Stil liebevolle Szenen, die zum Mitfühlen einladen – gelungen fängt sie Blus Emotionen bildnerisch ein und füllt die Seiten mit bunten Farben, die das anfangs eher traurige Thema zielgruppengerecht und warmherzig verpacken. Dadurch, dass die Hauptfigur des Buches geschlechtsneutral geschrieben ist, bietet sie eine breite Identifikationsfläche für Leser:innen, die ebenfalls eine Sprechstörung haben. Am Ende der Erzählung finden sich noch Informationen für Eltern: Symptomatik von SES, Beratungsangebote und Unterstützungsstrategien. Es ist ein weiteres empfehlenswertes Jupitermond-Buch, das seine Leser:innen Verständnis, Einfühlungsvermögen und Selbstakzeptanz lehrt.
Saskia Niechzial & Patricia Pomnitz: Das kleine Häwas | Jupitermond Verlag | ab 4 Jahren | 32 S. | 22,90 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Unfall oder Mord?
Jens Prüss-Lesung in der Düsseldorfer Zentralbibliothek
Schriftstellerin im Exil
Maria Stepanova liest bei Proust in Essen
Vorlesestunde mit Onkel Max
Max Goldt in den Kammerspielen Bochum – Literatur 01/25
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24
Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Zwischen Utopie und Ökoterrorismus
Tagung „Klimafiktionen“ in Bochum – Literatur 12/24
Das Über-Du
Auftakt von Literaturdistrikt mit Dietmar Dath und Wolfgang M. Schmitt – 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24