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Mutige Filmemacher braucht das Land: Hier sind Safi Al-Assil und die Brüder Mohammad und Mohannad Alchltonh
Foto: Benjamin Trilling

Filmische Flüchtlingsgespräche

15. März 2017

„Das verlorene Paradies“ am 14.3. im Dietrich-Keuning-Haus – Foyer 03/17

Ein ganz normaler, verregneter Tag in der Dortmunder Shoppingmeile. Hektisches Treiben, volle Einkaufstüten. Aus dem Off erklingen Bombenexplosionen und Raketeneinschläge. In großer Schrift wird eingeblendet: „Es ist dieselbe Zeit“. Nur assoziativ und bruchstückhaft nähert sich der Film „Das verlorene Paradies“ den Zusammenhängen von Flucht, Krieg und Alltag im fremden Land an.

Entstanden ist das Projekt unter der Leitung der Dokumentarfilmerin Ayse Kalmaz. In Kooperation mit dem Schauspielhaus Dortmund haben die jungen Geflüchteten Safi, Hasan, Mohannad, Khalo, Mohammad, Alla und Ibrahi ihren ersten Film gedreht. Damit waren sie auch schon an Schulen, Institutionen und sind demnächst auch auf Filmfestivals zu Gast. „Mit dem Film haben wir auf jeden Fall eine Kommunikation angeregt, die wir sonst nicht erreicht hätten“, freut sich Kalmaz. Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus stellten die jungen Filmemacher ihr Erfolgsprojekt auch im Dietrich-Keuning-Haus vor und diskutierten mit dem Publikum.

In welcher Form das Ganze auf die Leinwand gebracht werden sollte, war am Anfang alles andere als klar: „Wir hatten gar keine Idee, was wir filmen wollten“, erinnert sich Mohannad Alchltonh, der zusammen mit Bruder Mohammad, Safi Al-Assil und Regisseurin Ayse Kalmaz das gemeinsame Filmprojekt vorstellte. „Wir wollten aber etwas machen, womit wir die Leute erreichen können.“

Zunächst wollten die Jugendlichen das Projekt in Form eines filmischen Tagebuchs über ihre Flucht nach Dortmund auf die Leinwand bringen. Doch diese Idee wurde fallen gelassen. „Wir haben nicht mit einem Drehbuch gearbeitet, sondern das erst nach dem Drehen zusammengeschnitten.“ Stattdessen tasten sich die jungen Künstler an eine adäquate Form heran, lassen die Kamera laufen, wenn sie durch Dortmund schlendern oder sich unterhalten – über rassistische Vorurteile, westliche Heuchelei oder Träume über die verlassene Heimat. Filmische Flüchtlingsgespräche, auch mit direkter Ansage in die Kamera: „Wir sind gekommen, weil wir in Frieden leben wollen.“

Auch Alltagserfahrungen werden szenisch nachgestellt: Die Schwierigkeiten, von Maklern eine Wohnung vermittelt zu bekommen oder der stumpfe Bürokraten-Rassismus der Behörden. „Ich hatte keine Probleme mit den Leuten hier. Aber man selbst fühlt sich hier nicht willkommen“, erzählt Safi Al-Assil.

Ihr gemeinsamer Streifen gerät nicht nur zu einer Auseinandersetzung damit, sondern auch zu einer Reflexion über die medialen Möglichkeiten, ihre Erfahrungen und die Katastrophe aus Krieg, Flucht und Elend darzustellen: Wie können wir das filmisch zeigen? Welcher Film lohnt sich noch? Kann ein Film unsere Wirklichkeit überhaupt verändern? „Das verlorene Paradies“ stellt diese ästhetischen Fragen, aber zeigt auch die bekannten, schrecklichen Bilder aus Syrien: zerstörte Städte, Bombenteppiche, Angstschreie. Alltäglicher Ausnahmezustand. Der so gefährlichen Abstumpfung davor halten die jungen Regisseure mit ihrem Filmexperiment etwas dagegen: mutig und aufrüttelnd. Am Ende, nach dem Abspann scheint dann doch noch die Sonne. Aufstehen im verlassenen Land, im Frieden. Alles nur ein Traum. Tränen und Applaus im vollen Dietrich-Keuning-Haus.

Benjamin Trilling

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