Freitag, 11. Oktober: Seit nunmehr 24 Jahren ist die Verleihung der Schnitt-Preise aus dem Festivalkalender in Nordrhein-Westfalen nicht mehr wegzudenken. Unter dem Namen „Edimotion – 24. Festival für Filmschnitt und Montagekunst“ haben sich auch 2024 an den vier Festivaltagen in Köln EditorInnen aus dutzenden Ländern zum kreativen Austausch zusammengefunden. Neben dem Themenschwerpunkt „Der historische Schnitt“, dem Länderfokus Australien, dem International Film Editors Forum (IFEF) und weiteren Werkstattgesprächen stehen auch in diesem Jahr wieder die jeweils fünf nominierten Filme in den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm und Förderung Schnitt im Mittelpunkt, die mit anschließenden Filmgesprächen alle auf der großen Leinwand zur Aufführung gelangen. Tradition hat darüber hinaus auch die Verleihung des Ehrenpreises Schnitt, der in diesem Jahr an die Editorin, Autorin und Regisseurin Gabriele Voss geht, die insbesondere durch ihre Dokumentarfilm-Kollaborationen mit Christoph Hübner bekannt ist. Auf der Bühne am Eröffnungsabend präsentierte die langjährige künstlerische Leiterin von Edimotion, Kyra Scheurer, gemeinsam mit ihrem für die Sektion Spielfilm und das internationale Programm verantwortlichen Kollegen Dietmar Kraus mit Tama Tobias-Macht eine neue Mitarbeiterin, die 2024 bei Edimotion erstmals die organisatorische Leitung übernommen hat. Scheurer betonte, dass Edimotion in Nordrhein-Westfalen nach wie vor das erste und bislang einzige klimaneutrale Filmfestival sei. Dank einer Kooperation mit doxs! und durch eine Förderung durch die Imhoff-Stiftung sei in diesem Jahr auch ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen, so Scheurer weiter. Man habe dadurch erstmals eine weitere Festivaljury zusammengestellt, bestehend aus Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren, die aus den Wettbewerbsbeiträgen der Spiel- und Dokumentarfilme ebenfalls ihre Sieger wählen und auszeichnen.
Faszination des ungekürzten Moments
Wie in den Vorjahren wurde auch 2024 am Eröffnungsabend ein Film vorgeführt, der von der Ehrenpreisträgerin Schnitt editiert worden war. Vor der Projektion hielt der Drehbuchautor und Schriftsteller Marcus Seibert eine Laudatio auf Gabriele Voss. Er führte aus, dass diese 1971 erstmals mit Christoph Hübner zusammengearbeitet habe und seitdem mehr als 50 gemeinsame Filme entstanden seien. Für Seibert besteht das Besondere in der Arbeit von Gabriele Voss in der „Kunst des Nicht-Wegschneidens“. Sie sei fasziniert vom ungekürzten Moment. „Man kann sich dadurch dem Leben vor der Kamera nicht entziehen“, führte der Laudator weiter aus. Auch der Tonschnitt hätte bei Voss eine eigene Bedeutungsebene. „Bei ihr werden über Geräusche Dinge erzählt, die im Bild nicht unbedingt zu sehen sind“, analysierte Marcus Seibert. Für ihnen zählen Voss und Hübner zu den wichtigsten Chronisten des Ruhrgebiets der letzten 50 Jahre, da sie mit ihren Dokumentationen über Prosper/Ebel (zuletzt 2023 mit „Vom Ende eines Zeitalters“) oder der „Ruhrchronik“ die Geschichte und den Wandel in einer Industrieregion sichtbar gemacht haben. Zur Projektion kam im Anschluss mit „Anna Zeit Land“ ein eher untypischer Film des Kreativduos, der 1994 im Forum der Berlinale seine Uraufführung gefeiert hatte. Im Gegensatz zu anderen Filmen von Voss und Hübner gibt es hier neben dokumentarischen Sequenzen auch inszeniertes Fiktionales, was zu einer Hybridform führt, die die beiden davor und danach nicht mehr umgesetzt haben. Voss erinnerte beim Filmgespräch an eine Publikumsmeldung nach der Uraufführung, bei der gesagt wurde, „man müsse gar nicht so viel über den Film sprechen, er spräche doch für sich.“
Probleme mit analogem Videoschnitt
Dennoch entspann sich bei Edimotion ein interessantes Gespräch zwischen Sven Ilgner, dem Kurator der Sektion Ehrenpreis und Hommage, und Ehrenpreisträgerin Schnitt Gabriele Voss. Sie offenbarte, dass „Anna Zeit Land“, der in den Umbruchsjahren der deutschen Wende entstanden ist, auch für sie als Filmemacher einen Umbruch markiere. Nicht nur wegen des Versuchs, ein anderes Filmgenre zu bedienen, sondern auch, weil Teile des Films auf 16mm gedreht worden waren, andere hingegen auf Video. Das hätte am Ende den Schnitt sehr schwierig gemacht. „Ich habe da schon sehr gelitten“, rekapitulierte Gabriele Voss. Mit dem analogen Videoschnitt, der dabei zum Einsatz kam, wäre sie nie richtig warm geworden. „Der störte bei mir den kreativen Fluss. Wenn sich der analoge Videoschnitt durchgesetzt hätte, hätte ich mit dem Schneiden aufgehört“, so die Editorin weiter. Für Voss ist der heutige digitale Schnitt auch viel näher dran am klassischen Filmschnitt, wenngleich er natürlich viel bessere Möglichkeiten biete und man wesentlich schneller und komfortabler arbeiten könne. Im Mittelpunkt von „Anna Zeit Land“ steht eine fiktive Figur, die noch dazu von zwei verschiedenen Schauspielerinnen gespielt wird. „Es sollte hier kein konkreter Mensch erzählt werden, sondern eher eine Figur oder ein Modell, das so passiv ist, dass die echten Menschen in den Dokumentarszenen drum herum stärker werden“, erläuterte Gabriele Voss. Die Offenheit des Films lade das Publikum ein, seine persönlichen Hintergründe einzubringen und dadurch unterschiedliche Elemente des Films besonders in Erinnerung zu behalten, ergänzte die Editorin. „Man betrachtet hier das Geschehen aus der Sicht der beiden Anna-Figuren, ansonsten wäre es ein Sammelsurium und ein Chaos. Dieser Erzählfunktion bedarf es in unseren reinen Dokumentarfilmen nicht“, fasste Voss die besondere Struktur von „Anna Zeit Land“ zusammen. Am Tag der Preisverleihung, Montag, der 14. Oktober, wird im Filmhauskino um 10.30 Uhr „Vom Ende eines Zeitalters“ gezeigt, in dessen Anschluss ebenfalls noch einmal ein Filmgespräch mit der Ehrenpreisträgerin Schnitt stattfinden wird.
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