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Grönemeyer in Aktion
Foto: Presse

Der Pott singt

01. März 2010

Musik in der europäischen Kulturhauptstadt - Klassik in NRW 03/10

Grönemeyer sang zur Eröffnung für das Ruhrgebiet, natürlich über das Ruhrgebiet. Symphonisch war der Song aufgeblasen, mit Chor und Orchester, ergreifend sein Bekenntnis, wie super alles im Pütt ist – wenn man privat zwischen London und Berlin twistet. Dass hier auch musikalisch der Hammer nicht ganz sauber getaktet ist, darüber erzählen die Leuchttürme des Musikpfads durch das schöne Jahr als europäische Kulturhauptstadt: Es liest sich wie eine Schadensbekämpfung. „Jedem Kind ein Instrument“, eine Bochumer Initiative, wird landesweit ausgedehnt. In China, wo mittlerweile Stahlöfen aus dem Pott produzieren, üben in diesem Moment wahrscheinlich zehntausende neue Lang Lang-Clone auf Billigklavieren. In NRW sollen langfristig 175.000 Grundschüler mit Geigen, Hörnern, Mandolinen oder türkischen Baglamas aufgerüstet werden – eine Großoffensive. Und die Kids müssen ja auch noch unterrichtet werden. Das erledigen die 40 kommunalen Musikschulen, die das Projekt unterstützen: Bei der Klassendichte können dann auch in sibirischen Wintern die Heizungen in den Klassenräumen ausgestellt bleiben.

In Gütersloh 1926 geboren, der Opa fuhr noch persönlich ein, die Mutter kam aus Witten: Kerndaten zu Deutschlands meistgespieltem zeitgenössischen Komponisten Hans Werner Henze. Der Klüttenkopp lebt allerdings seit Jahrzehnten in Italien. Für das Auftragswerk, eine Oper, lässt sich der Komponist Jahrgang 1926 von den Industriespielstätten inspirieren. Inszeniert wird das Werk zur RuhrTriennale – das mischt sich sehr schön. Sein bestehendes Werk wird alle Spielstätten überfluten, und die jungen Zuhörer sollen dabei von der Neuen Musik begeistert werden – Henze hatte immer ein Herz für Kinder. Ein ganzes Programmbuch fasst die Aktivitäten zusammen.

Nicht nur in der Oper wird gesungen. „Polyphonie – Stimmen der kulturellen Vielfalt“ bündelt die Stimmkraft älterer Migrantinnen und Migranten zur kulturellen Vielfalt der Region. „Ein guter Gesang wischt den Staub vom Herzen“, hat ein Heimatdichter gesungen. „!Sing – Eine Metropole singt!“ lässt singen, singt selbst und verführt zum Mitsingen – auch ohne Staub. 270.000 Frauen und Männer besuchen regelmäßig Chorgemeinschaften in NRW. Das klingt gewaltig, besonders, wenn alle zusammen singen. Im Baltikum gibt es noch Chorfeste in speziellen Chorstadien mit 100.000 Sängern, dort gehört das Volkslied zum Alltag, selbst in Revolutionstagen. Der 5. Juni wird im Ruhrgebiet der „Day of Song“, dann wird selbst die Aufführung von Mahlers „Sinfonie der Tausend“ verblassen. Ansonsten gehen die Konzerte ihren natürlichen Lauf. Alles, was tönt, erhält den Hauptstadt- Stempel. „Musik in den Häusern der Stadt“ schaltet um auf Hausbesuche, die private Salonkultur soll wieder belebt werden. „Europa in Takt 2010“ steht für Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Aber stehen die Musiksäulen der Kulturhauptstadt Ruhrgebiet irgendwie auch auf Inklusion, nämlich von Zaungästen, zumindest von NRW? Absolut nicht. Das Ruhrgebiet beschäftigt sich in den angesprochenen Leuchttürmen ausschließlich mit sich selbst. Und das ist vielleicht genau der Sinn dieses subventionierten Ehrentitels: Stärkung der Region durch Investition in die eigene Zukunft. Noch ein Musikfestival braucht nämlich in der Region niemand.

Olaf Weiden

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