Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Frauen – Bewegung“ aus dem Jahr 2013
Foto: Mack Kubicki

Der Zeit zwei Schritte voraus

28. Juli 2016

Das Tanztheater bodytalk wechselt von Köln nach Münster – Tanz in NRW 08/16

„Man liest im Grunde immer nur Texte, die einen bestätigen“, meint Rolf Baumgart. Dabei denkt er ebenso an die Essays der Gesellschaftskritik wie an die Bildschirme der digitalen Welt. Statt Erweiterung des Horizonts lieber das Bekannte – eine Devise, ohne die das Fernsehen gar nicht existieren könnte. Erst dort, wo wir mit dem Anderen konfrontiert werden, eröffnet sich uns die Möglichkeit, Erfahrung zu machen. Rolf Baumgart und Yoshiko Waki, die Gründer des Tanztheater bodytalk, legen in ihrer Arbeit eine eigene Konsequenz an den Tag, wenn es darum geht, das Heterogene, Unbequeme und manchmal auch Provozierende anzusteuern. So präsentierten sie letzten Sommer in der Produktion „Fleshmob mit Toten“ eine Reflexion über die Flüchtlingskrise mit Themen, die erst ein halbes Jahr später in die Öffentlichkeit dringen sollten. Da wurden die Bilder der nackten, ertrunkenen Flüchtlinge ebenso zum Thema, wie der Silvester-Mob vor dem Bahnhof in Köln. Ereignisse, die die Frage aufwerfen, welche Flüchtlinge wir haben wollen. Jedenfalls sollen sie sympathisch sein und in der Summe ihrer Eigenschaften Vorstellungen einlösen, die wir uns selbst nicht abverlangen würden.

Nach zwei Jahren in Bonn, wo sie durch die Arbeit mit Johann Kresnik ansässig waren, folgten sieben Jahre in Köln mit Erfolgen, wie der opulenten Produktion „Frauen – Bewegung“ und dem Gewinn des Kölner Tanzpreises für das Auschwitz-Stück „Jewrope“. Mit ihrer Mischung aus scharfer politischer Analyse und spielerischem Humor stellte bodytalk eine feste Größe in Köln dar. Nun erfolgt der Wechsel nach Münster ins Pumpenhaus. Dessen Leiter, Ludger Schnieders, lockte das Paar in der Nachfolge von Sami Akika mit dem Status als Artists in Residence. „In Münster wird alles für die Künstler getan“, sagt Baumgart, und meint konkret, dass es weder an Räumen und Probenzeiten, noch an einer Waschmaschine fehlt. Trotzdem fühlten sie sich in Köln wohl. „Es war ein Glücksfall, dass wir hier von der Kritik so viel Ermutigung bekommen haben“, erklärt Yoshiko Waki. „Aber es ist auch wunderbar, wenn man von einem Veranstalter gewollt wird“, fügt sie hinzu. Das Pumpenhaus besticht mit einem exquisiten Programm und stellt sich als eine finanziell etablierte Institution dar. Eine Tatsache, die in NRW von Bedeutung ist.

Münster wird seine Freude an den sperrigen, aktionsgeladenen und in ihrer Methodik immer wieder überraschenden Produktionen der beiden haben. „Wir sind der Überzeugung, dass Erfahrung nur von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann“, erklärt Waki. Deshalb gibt es in ihren Choreografien stets ein Mischungsverhältnis zwischen jungen und älteren Akteuren, so dass das Lernen voneinander zu einem grundsätzlichen Bestandteil der Arbeit wird. Für das Publikum bedeutet das, politisch und ästhetisch wird das Unterste zuoberst gekehrt. Was kann man sich besseres vom Theater wünschen?

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Tanzen, auch mit Prothese
Inklusive Tanzausbildung von Gerda König und Gitta Roser – Tanz in NRW 01/25

Die Erfolgsgarantin
Hanna Koller kuratiert die Tanzgastspiele für Oper und Schauspiel – Tanz in NRW 12/24

Musikalisch von Herbst bis Winter
„2 Jahreszeiten: Herbst/Winter“ am Gelsenkirchener MiR

Die Grenzen der Bewegung
„Danses Vagabondes“ von Louise Lecavalier in Düsseldorf – Tanz an der Ruhr 12/24

Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24

Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24

Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24

War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24

Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24

Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24

Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24

Gegenwart einer Gegenkultur
„Pump Into The Future Ball“ in der Jahrhunderthalle Bochum – Tanz an der Ruhr 08/24

Tanz.

HINWEIS