Gehen Sie gern in die Oper?
„Wer geht schon gerne hin. Ich auch nicht. Aber das darf ich natürlich nie sagen, das ist ja mein Beruf, ich verdiene damit mein Geld.“
Warum haben Sie diesen Job gewählt?
„Das war immer mein Traum, schon als Kind. Aber der Traum und die Entwicklung in unserer Gesellschaft und die darauf folgende Realität im Job gehen manchmal auseinander.“
Reicht da nicht die Liebe zur Musik?
„Wenn man Künstler ist und den Job macht, weil man die Musik so liebt, kann das auch frustrierend sein.“
Wie meinen Sie das?
„Wenn ein Mensch in die Oper geht und dabei etwas Besonderes erlebt und so berührt wird, dass er wiederkommen will, dann haben wir unseren Job gut gemacht. Aber das lässt sich nicht berechnen, man ist in der Oper von so vielen Dingen abhängig.“
Warum machen Sie so viel Oper?
„Früher war es mehr Oper, jetzt geht die Entwicklung für mich mehr zum Konzert, weil ich da mehr der Boss bin und auf der Bühne machen und anziehen kann, was ich will, und ich muss die Leute überzeugen, wieder zu kommen. Das kann ich in der Oper nicht beeinflussen.“
Kennt die Oper keinen Promi-Status?
„Hier sind ganz junge Kollegen, die völlig grün hinter den Ohren sind, und die zudem noch Angst um den Job haben: Wer das Maul aufreißt, wird gekündigt. Ich befinde mich heute in einer Situation, wo ich da nicht mitmache. Ich kann mir sogar leisten, mich auch verantwortlich zu fühlen für andere.“
Unterscheiden sich da die Opernhäuser untereinander gravierend?
„Es wird ja überall nur mit Wasser gekocht, ob du in New York bist, in Paris, das sieht da nicht anders aus als in Köln, oder in Koblenz, oder in Heidelberg. Es ist entscheidend, wer da ist, mit welchen Menschen du arbeitest bzw. arbeiten musst – du wirst ja zugeführt, man kennt sich ja gar nicht. Und man weiß nicht, ob man sich – menschlich wie künstlerisch – überhaupt riechen kann? Das kann natürlich auch den Berg runter gehen.“
Verschlimmert das Regietheater diese Situation?
„Ich mag Regie. Eine meiner ersten Arbeiten war mit Peter Konwitschny, ein Händel, das war so schön. Da hab ich gedacht, das ist immer so. Aber heutzutage sind die Regisseure keine Regisseure mehr, die können es einfach nicht mehr. Du baust nur noch auf eigene Erfahrung. Ich hatte an der Hochschule eine Lehrerin, die war Felsenstein-Schülerin. Da hab ich alles gelernt. Heute mach ich den Sack auf und spiele, damit ich nicht dastehe wie ein Klotz. Wenn du es nicht selbst machst, wer hilft dir denn? Wenn du dir nicht selbst hilfst, heißt es gleich: Die kann nichts, die kann nicht spielen, die wird nicht mehr engagiert.“
War das mal anders?
„Ich hab nach meinem Studium total unten angefangen, damals in Koblenz. Da war alles frisch besetzt bis in die Intendanz. Und wir haben tolle Produktionen gestemmt, ich habe so viel gelernt in diesem festen Ensemble: ich habe gelernt zu laufen und was Oper ist, und auch mich durchzusetzen. Und das gibt es heute alles nicht mehr.“
Wird das irgendwann wieder besser?
„Momentan geht das alles abwärts, weil unsere Gesellschaft es jetzt schon verpasst hat, sich um die Zukunft zu kümmern.“
Lohnt es sich, dagegen anzugehen?
„Ich kämpfe für alles, auch für meine Musik.“
Dies war kein Gespräch mit einer frustrierten Choristin eines Opern-Extrachores, sondern ein Auszug der wahrhaftigsten Bekenntnisse aus einem Interview mit dem weltweit angesagten Sopranstar Simone Kermes, die gerade zwei aktuelle CD-Produktionen vorgelegt hat.
Aktuelle CDs:
Simone Kermes: “Lava”
Simone Kermes mit Claudio Osele und dem “Le Musiche Nove”-Ensemble:
“Colori d´Amore” I Sony Music
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