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Ende am Paradies

01. Juni 2010

Stockhausens "Klang" erlebte seine Uraufführung - Klassik in NRW 06/10

Uversa in Orvonton – eine Billion bewohnter Universen. Es ist ein mächtiges Reich, dessen Grundbucheintragungen Sternengesandte einem Irdischen, der bei Chicago wohnte, bis Mitte der Fünfziger im letzten Jahrhundert in die Feder diktierten. Auch sonst wurde hier einiger Hokuspokus aufgelistet, mehr als 2.000 Seiten füllten die Angaben und Theorien, die Karlheinz Stockhausen in den 70ern für sich entdeckte. Für ihn kamen die Daten praktisch aus der Heimat, war der junge Karlheinz – so erzählte er selbst – doch auf Sirius in die Schule gegangen. Meine Mama erinnert sich allerdings deutlich, mit Karlheinz auf dieselbe Schule gegangen zu sein, einem Gymnasium in Bergisch Gladbach. Mama: „Der tickte damals schon nicht ganz sauber!“ Häufig werden die genialen Kreativen verkannt und vom Volksmund zum Spinner degradiert. Es ist die weit von jedem Alltäglichen entfernte Materie, mit der Stockhausen sich in den ersten Soundlabors in den Fünfzigern beschäftigte und auf eine elektronisch erzeugte Musikfahrt ging, die sich weit aus den vertrauten Bahnen menschlichen Denkens hinausschoss. Zeit, Licht, Farbe, Raum, Riten, Bräuche, heilige Klänge und Instrumente: Stockhausen experimentierte, rechnete und formulierte. Er saugte alles auf, um seine Fantasien, die er teilweise vorträumte, zu vertonen oder darzustellen. Seine Woche aus „Licht“, eine riesenhafte Konzert- Oper, harrt noch auf die erste zyklische Aufführung. Ein dagegen kammermusikalisch wirkendes letztes Werk, die Vertonung des Tages mit seinen 24 Stunden, brach Stockhausen nach der 21. Stunde „Paradies“ ab – und verstarb 2007 kurz darauf. Kathinka Pasveer, seine langjährige Assistentin und Lebensgefährtin, hofft noch auf Vollendung. Pasveer in einem Interview: „Ich glaube, dass er die drei restlichen Stunden woanders komponiert.“

Am Muttertagswochenende wurde dieses Werk in einer logistischen Sonderleistung zur Triennale in Köln aufgeführt. In rund 170 Einzelveranstaltungen an zwei Tagen an neun Spielstätten hatten Musiker und Gäste der musikFabrik, einem speziell geschulten und erfahrenen Ensemble für Neue Musik, die kleinen Kunstwerke zu den 21 vorhandenen Stunden des unvollendeten Tages einstudiert. Stockhausens Ansprüche an die Instrumentalisten wie an die technische Ausführung seiner Werke ist legendär, selbst die Kleidung der Interpreten ist in einem Katalog nach Farben geordnet und gehört zur Aufführung. Die Interpreten der solistischen Werke, d.h. Solist plus Elektronische Musik, lernten die umfangreichen Partituren gleich auswendig, um auch kleine szenische Vorgaben wie Drehungen um sich selbst ausführen zu können. Außerdem fordern die Stücke alles vom Interpreten. Die Einzelkonzerte wurden mehrfach wiederholt, sodass sich die Zuhörer theoretisch einen kompletten Zyklus an zwei Tagen erwandern konnten – in Kirchen, WDR-Sälen, im Mediapark und sogar im Praetorium surrten die Elektronischen Musiken und die kleinen Kammerstücke für verschiedene Besetzungen – immer in sensationeller Qualität. Und es stellte sich nach mehreren Begegnungen mit Klangschichten aus den „Cosmic Pulses“ und der Formelsprache der Instrumente tatsächlich eine gewisse Nähe zum Werk ein – man kennt sich, allerdings nur oberflächlich. Für dieses außergewöhnliche „Stockhausen- Gefühl“ sei besonders den Sponsoren gedankt, die dieses exklusive Geschenk finanziert haben. Mama war allerdings nicht da. Die feierte Muttertag mit der Familie: Spargel.

www.stockhausen.org

Olaf Weiden

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