Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Grandbrothers
Foto: jonas lindström

Feier des Minimalismus

26. März 2015

Die Grandbrothers erfinden sich ihren eigenen Musikstil – Popkultur an der Ruhr 04/15

In der Kunst liegt die größte Meisterschaft darin, eine Anstrengung kinderleicht und gleichzeitig zwingend logisch erscheinen zu lassen – die Reduzierung auf ein maximales Minimum in Form und Ausdruck ist der Schlüssel zu einer gelingenden Ästhetik. Bei Mies van der Rohe, einem der großen Architekten der Moderne, hieß das: „So einfach wie möglich, koste es, was es wolle.“ Es ist das Mantra – beginnend bei Minimal Art und Bauhaus – das uns heute in allen Bereichen von Kunst, Design und Werbung begleitet.

Wäre dieses Prinzip leicht zu reproduzieren, läge darin keine Meisterschaft. Es ist gerade das Kennzeichen von Virtuosität, dass sie einen Kosmos an Sinn und Arbeit in ein Produkt von besonderer Klarheit verwandelt. Es ist auch das Erfolgsprinzip von Apple: „Reduce to the max“, obgleich dieser Claim nun wieder von Mercedes Benz stammt.

Vor diesem Hintergrund sollten wir das Projekt der beiden Düsseldorfer Musiker Erol Sarp (geboren in Wuppertal) und Lucas Vogel betrachten, die seit 2011 die Formation Grandbrothers bilden. Es dürfte eine der musikalisch ambitioniertesten Platten des Jahres sein, die Sarp und Vogel nun auf dem Berliner Label FILM veröffentlichen. Die bereits im Februar 2014 veröffentlichte Single „Ezra Was Right“ stieß auf internationale Anerkennung bei Musikern und Produzenten, lief auf renommierten Radiostationen in England und fand mit seinen Remixen den Weg in Japans Clubs.

Zwei Jahre Studioarbeit stecken in der nun fertigen LP, doch es ist gar nicht so leicht zu beschreiben, was auf „Dilation“ eigentlich geschieht – so elaboriert ist das Ganze. Geschäftsführer und Gründer von FILM, sowie Entdecker der Grandbrothers sind der gebürtige Herner Dominik Grötz und Daniel Breuer aus Aachen. Partnern erklären sie das Projekt meist so: „Zwei Deutsche spielen ihren selbst-gebauten komplett-analogen Konzertflügel-Drumcomputer.“

Die Technik der beiden Musiker ist in der Tat extravagant und einzigartig. Zwar klingen sämtliche Stücke, als wären sie von Synthesizern durchzogen, in Wahrheit aber kommt jeder Ton aus dem Flügel selbst. Über einen Laptop werden mechanische Hämmerchen im Inneren des Instruments angesteuert von hier aus nimmt jeder Sound seinen Anfang.

Was uns die Grandbrother anbieten klingt derart neu und ausgereift, dass man kaum glauben mag, hier über ein hiesiges Produkt zu sprechen. Die Formsprache ist das Gegenteil von gefällig, und doch erschließt sich beim ersten Hören alles. Kein Ton ist zu viel, die Arrangements sind aufgeräumt wie selten – das Genre bewegt sich irgendwo zwischen IDM, Ambient, Minimal und Techno.

Besagte Apparatur zur Tonabnahme ziert auch das Artwork von „Dilation“. Ein ausgestreckter Arm reckt das für die Musik der Grandbrothers zentrale Modul in Agitprop-Manier in die Höhe, im Hintergrund sehen wir ein mächtiges Blau, das an den Künstler Yves Klein erinnert – und der ist bekanntlich: Wegbereiter des Minimalismus.

Grandbrothers: „Dilation“ | FILM

Timon-Karl Kaleyta

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Man in Black 2
Buch zu Nick-Cave-Ausstellung in Kopenhagen – Unterhaltungsmusik 03/21

All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20

„Ich wollte immer nur Liebeslieder schreiben“
Konstantin Wecker kommt nach Dortmund und Essen – Interview 08/19

Georg Dybowski
Nahaufnahme 06/19

„Pop ist die Akademie des Alltags“
Medienprofessor Marcus S. Kleiner über Pop- und Bildungskultur – Interview 04/19

„Ein Gedanke pro Song“
Guido Scholz von Kapelle Petra über Song-Rezepte und eigene Wege – Interview 03/19

„Aus akutem Kummer kann kein guter Song entstehen“
Der Bochumer Musiker und Schauspieler Dominik Buch über aufrichtige Kunst – Interview 02/19

Historische Elektrotechnik
Reissues entdecken Elektronik der 70er und frühen 80er Jahre neu – Kompakt Disk 01/19

„Introvertiertheit ist keine Allüre“
Kevin Werdelmann über das neue Slowtide-Album – Interview 01/19

Engagiertes Stelldichein
Die Verleihung 1Live Krone in der Jahrhunderthalle Bochum – Musik 12/18

„Die Leute auf ihr Unglück aufmerksam machen“
Die Kölner Punkrock-Band Detlef über Mitmenschen und eine einzigartige Stimmfarbe – Interview 12/18

„Kompositionen sind entscheidender als die Technik“
Oliver Bartkowski von Bergmann & Bartkowski über „Skull City“ – Interview 12/18

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!