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Kolonialsoldaten für de Gaulles „Freies Frankreich“ bei der Ausbildung in Kamerun
Foto: 3www2.de

Für ein Ende der Ignoranz

27. Februar 2025

Teil 2: Lokale Initiativen – Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ im NS-Dok

Die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ rückt ein häufig vernachlässigtes Kapitel der globalen Kriegsgeschichte in den Fokus. Mit Bildtafeln, Hör- und Videostationen sowie künstlerischen Reflexionen werden die Schicksale von Millionen Soldaten und Zivilisten aus dem globalen Süden aufgegriffen, die in der westlichen Geschichtsschreibung weitgehend unsichtbar geblieben sind. Karl Rössel, Kurator der Ausstellung, erläutert: „Internationale Solidarität ist keine Einbahnstraße – die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika haben oft einen noch höheren Einsatz gezeigt als ihre europäischen Partner.“

Beginn vor Jahrzehnten

Das Projekt begann in den 1990er Jahren mit Recherchen des Rheinischen JournalistInnenbüros, eines Kollektivs freier Journalisten in Köln, und wurde seit dem Jahr 2000 vom gemeinnützigen Verein Recherche International e.V. weitergeführt. Bei der Recherche stellten sie fest,dass offizielle Kriegsstatistiken kaum Opferzahlen aus Ländern wie China, den Philippinen oder Indien enthalten. „Wir waren schockiert, dass die Opfer der Völker im globalen Süden systematisch ignoriert wurden – und haben uns deshalb entschlossen, diese vergessene zweite Hälfte der Geschichte aufzubereiten“, so Rössel.

Auf Reisen in über 30 Länder führten die Journalisten hunderte Zeitzeugeninterviews und bauten ein Archiv auf. 2005 erschien als Ergebnis das Buch„Unsere Opfer zählen nicht“, 2008 folgten Unterrichtsmaterialien für Schulen und seit 2009 zieht die Wanderausstellung durch Deutschland und die Schweiz und war schon an über 60 Orten zu sehen. Die Reaktionen auf die Ausstellung gleichen sich laut Rössel in 80 bis 90 Prozent der Fälle: „Die Besucher sind schockiert über das Ausmaß der Opfer und der Kriegsfolgen, von denen sie noch nie gehört haben – darunter selbst erfahrene Geschichtslehrer.“ Wichtig ist dem Kurator zudem eine umfassende Darstellung: „Wir präsentieren Geschichte und machen keine Heldenverklärung. Es gibt in unserer Ausstellung sowohl Helden als auch Kollaborateure – wer nur einen Teil zeigt, macht das Gesamtbild unglaubwürdig.“

Zensurversuch

Nun kommt die Ausstellung in erweiterter Fassung und mit einem umfangreichen Begleitprogramm unter anderem aus Film- und Theatervorführungen, Lesungen und Vorträgen noch einmal nach Köln und findet dort ihren Abschluss. Doch der Weg zur Erinnerung ist nicht frei von Hindernissen. Ein aktueller Zensurversuch zielte darauf ab, eine Statue aus Korea, die an die Verschleppung von verharmlosend sogenannten Trostfrauen in japanische Militärbordelle erinnert, aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen. „Seit zwei Jahren war der Stadt bekannt, dass die Statue vor dem NS-Dok aufgestellt werden soll – bis die Oberbürgermeisterin dies ohne nachvollziehbare Begründung untersagte. Vor dem Hintergrund der Städtepartnerschaft Köln-Kyoto wollte sie sich offenbar Regierungsstellen in Japan gefällig erweisen, die jede kritische Auseinandersetzung mit japanischen Kriegsverbrechen zu verhindern suchen“, so der Kurator.

Nach einem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt und einem Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger hat sich dieser Versuch jedoch als aussichtslos erwiesen: „Der lange Arm des japanischen Geschichtsrevisionismus reicht nicht bis nach Köln“, heißt es in einer Mitteilung der Kuratoren. 

Mit seiner vielschichtigen Darstellung bricht die Ausstellung damit nicht nur das eurozentrische Geschichtsbild auf, sondern reicht bis in geschichtspolitische Kontroversen der Gegenwart. Zu sehen vom 8. März bis 1. Juni im NS-Dok.

Lutz Werner

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