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Der Blick von außen kann Pädagogen helfen, eigene Strukturen zu hinterfragen.
Foto: Irma Flesch

Grüße aus der Wahrnehmungslücke

28. Februar 2013

Wie das Projekt „geRECHT in NRW“ eine Essener Heimeinrichtung veränderte – Thema 03/13 Schutzbefohlen

„Wenn dein Computer nicht angekommen ist, kriegst du kein Taschengeld“, erklärt Wolfgang Gröber Fatih seine Situation. Fatih hatte in das Heim, in dem er mit drei anderen Jugendlichen lebt, einen Computer mitgebracht. Das sei schon verboten. Als er ihn aber nach der Begnadigung auch noch an einen Kollegen verkaufen wollte, musste Heimleiter Wolfgang Gröber in die Trickkiste greifen. „Wir kürzen nie das Taschengeld, aber Fatih wollte den Computer verschachern“.

Eine Kultur des Beschwerens schaffen
Der Mitarbeiter der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Essen weiß, wie solche Konflikte auf Außenstehende wirken, denn er kennt die Jugendlichen, um die er sich mit seinen KollegInnen kümmert. „Bei diesen Kindern weiß man, da geht gar nix mehr. Es sind Kinder, die Grenzen nicht kennengelernt haben“, so Gröber. Viele von ihnen hätten Gewalt und Vernachlässigung seitens der Eltern erfahren. Eine „Regelgruppe“ in Kinder- und Jugendheimen benötigt im Schnitt für zwei Kinder einen Betreuer. Gröber kümmert sich mit fünf weiteren Kollegen um die vier Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. „Intensivgruppe“ nennt sich das. Statt mit Strafenkatalogen Ordnung zu garantieren, will Gröber aber „Partizipation“ erreichen: „Es muss eine Kultur des Beschwerens geschaffen werden. Wir wollen sie teilhaben lassen an der Gestaltung des Lebensraumes“, erläutert er das Ziel der Einrichtung. Dies sei nicht immer einfach und erfordere „Mitarbeiter, die das aushalten“, beteuert der Pädagoge.

Umso wichtiger sei daher der Blick von außen auf die eigene Arbeit. Viele Anstöße hätte er im letzten Jahr durch das Projekt „geRECHT in NRW“ erfahren. Die Essener Einrichtung war eine von zwei Modellstätten des Projektes, das ein Jahr lang externe Beschwerdestellen für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Erziehungshilfe anbot. Dabei ging es vor allem darum, die Jugendlichen unabhängig von den involvierten Heimkräften über ihre Rechte zu beraten. „Es gibt Fragen, die können die internen Beratungsstellen oder Jugendämter nicht beantworten“, so Margareta Müller, Projektmitarbeiterin bei geRECHT in NRW. Bei den Jugendlichen in Essen erfolgte die Rechtsberatung oft über den Weg der persönlichen Geschichte. „Wir hatten Jungs, die über zweieinhalb Stunden erzählt haben. Einige haben da ausgepackt über Erfahrungen der Entrechtung“, erinnert sich Wolfgang Gröber mit seinem Kollegen Fabian Buchwald an eine der ersten Sitzungen mit Mitarbeitern von geRECHT in NRW. In der Folge ging die Dauer der Gespräche zwar zurück, aber die Pädagogen begannen, ihre Strukturen zu hinterfragen. „Was wir durch geRECHT in NRW gelernt haben“, resümiert Gröber, „ist, dass wir die Wünsche der Jugendlichen in unsere Wahrnehmungslücken verdrängen.“ Heute sind sich Wolfgang Gröber und Fabian Buchwald einig über die Notwendigkeit interner und externer Beschwerdestellen. Mit dem neuen Kinderschutzgesetz sind seit 2012 interne Beschwerdestellen vorgeschrieben. Das Projekt „geRECHT in NRW“ ist 2012 ausgelaufen und wird evaluiert. Fatih stellte schließlich den Computer in den Flur und erhielt sein Taschengeld.

DAWID KASPROWICZ

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