Zu oft wird von der heutigen Kinder- und Jugendgeneration ein schlechtes Bild gezeichnet. Als Generation Z, deren Mitglieder seit dem Jahr 1999 zur Welt kamen, werden sie als orientierungslose Stubenhocker ohne Manieren und Werte beschrieben. War also früher alles besser? Fest steht, dass sich Kindheit im Vergleich zur Vergangenheit maßgeblich verändert hat. Das beginnt schon bei der Familienform: Früher gab es große Familien mit vielen Geschwistern, die Großeltern waren immer in der Nähe, meist wohnten sie sogar mit im Haus. Doch herkömmliche Großfamilie gibt es immer weniger. Zwar mussten die Kinder damals bei der Arbeit oder im Haus mithelfen, doch gab es auch Zeiten, in denen man mit Freunden oder Geschwistern durch Stadt oder Felder streifen und außerhalb der elterlichen Reichweite ein Kinderleben führen konnte. Freundschaften wurden geschlossen, Konflikte ausgetragen und Abenteuer erlebt, die Welt wurde begriffen und im Spiel erprobt.
Kinder heutzutage haben weniger unbeobachtete Freiräume. Die neuen Medien eröffnen Kontrollmöglichkeiten und werden von Eltern wie Kindern gleichermaßen genutzt. Ist das Kind nicht erreichbar, weil es sein Handy hat liegenlassen, oder ist es auf dem GPS-Tracker für ein paar Minuten nicht zu orten, bricht bei den Eltern der Schweiß aus. Auf die Frage: „Wohin gehst Du?“, reicht ein einfaches „Spielen“ als Antwort nicht mehr aus. Kinder werden zu Freunden gefahren und abgeholt, gleiches gilt für den Schulweg. Sogenannte „Playdates“ werden lange im Voraus geplant, der Spontaneität der Kinder wird damit ein Riegel vorgeschoben.
Doch warum gibt es eine so dramatische Entwicklung in Richtung kontrollierte Kindheit? Unsere heutige Zeit ist wesentlich schnelllebiger und verlangt den Menschen etwas mehr ab. Eltern müssen flexibler in ihrem Job sein, deshalb sind schon kleine Kinder länger im Kindergarten, in der Schule oder im Hort. Die Leistungserwartungen an Kinder und Jugendliche werden immer größer, schon der Kindergarten hat einen Bildungsauftrag. So haben Kinder heutzutage oft Alltags- oder Freizeitstress. Andererseits fokussieren sich Eltern heute mehr auf ihre Kinder. Dort wo man sich früher um vier bis fünf Kinder kümmerte, sind es heute oft nur noch ein oder zwei, Schlupflöcher ohne die elterliche Beobachtung fallen weg. Mögliche Gefahren sind durch Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Internet allgegenwärtig und werden häufiger bekannt. So wird aus Behütung sehr schnell Überfürsorglichkeit und sicherlich auch ungewollte Kontrolle. Demzufolge war Kindheit früher vielleicht nicht besser, aber freier als heute.
Fraglich bleibt ob Generation Z tatsächlich aus wertfreien Stubenhockern ohne Manieren besteht, die sich zudem noch per se hinter ihren Smartphones und Computern verschanzen. Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, in welchem Maße die neuen Medien heute für Kinder zugänglich sind. Die sogenannte KIM-Studie (Kinder + Medien, Computer + Internet) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest von 2014 untersuchte die Medienverfügbarkeit für sechs- bis 13-jährige Kinder. In 100% der Haushalte gab es einen Fernseher. Handy oder Smartphone und Internetzugang waren in 98% der Haushalte verfügbar, der Computer oder Laptop in 97%. Immerhin 47% der Kinder der Altersgruppe besaßen selbst ein Smartphone, einen eigenen Computer oder Laptop hat nur jeder Fünfte und 18% konnten aus dem Kinderzimmer auf das Internet zugreifen.
Nun sagt der Besitz noch nicht viel über die Nutzung selbst aus. Festzuhalten ist, dass Kinder das Verhalten kopieren, was ihnen vorgelebt wird. Ein Kind, das in einer Familie aufwächst, die Stunden vor dem Fernseher oder hinter dem Laptop sitzt, tendiert selbst eher zu einem solchen Verhalten. Das Gleiche gilt für die angeblich nicht vorhandenen Werte. Kinder lernen Werte durch das Nachahmen der Eltern. Sprich, die Werte die Eltern täglich leben, werden auch Ihre Kinder annehmen. Und wertefrei sind die Kinder heute gewiss nicht: Der GEOlino-UNICEF Kinderwertemonitor 2014 gibt an, dass für sechs bis 14-jährige Kinder die folgenden fünf Werte am Wichtigsten sind: Freundschaft, Familie, Vertrauen, Geborgenheit und Ehrlichkeit. Da diese grundlegenden Werte von einer Generation an die Folgegeneration weitergegeben wurden, kann man davon ausgehen, dass die Werte der Kinder früher nicht großartig anders waren. So sind es nicht die Kinder die sich verändert haben, sondern die Zeiten. Letztlich ist es so, dass Kinder das tun, was ihnen vorgelebt wird. Noch immer sind Eltern und Großeltern die größten Vorbilder für Kinder heute. Und somit auch für die Gestaltung und Ausformung der Kindheit ihrer eigenen Kinder und Enkel verantwortlich.
Aktiv im Thema
Unicef-Kinderweltmonitor 2014
www.mpfs.de/?id=462 | Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
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Kindheit heute und die Sorgen der Eltern
Die Sorgen meines Sohnes (Anfang Oktober wird er 4) sind noch sehr konkret:
- dass seine Eltern "keine Zeit" haben
- dass er bzw. ein Elternteil bei einem Ausflug "verloren" geht
- "Monster" in der Nacht
- dass der heimische Vorrat an Eis, Süßigkeiten und seiner Lieblings-marmelade versiegt.
Meine Sorgen als Mutter sind im Vergleich abstrakter: Krankheit, Krieg und Konflikte um schwindende Ressourcen.
Die Zukunftschancen meines Sohnes sind jedoch grundsätzlich günstig.
Immerhin ist er ein männlicher Europäer, sein Umfeld "bildungsnah" und finanziell gesichert, er ist eingebunden in ein tragfähiges Netzwerk aus liebevoller (Groß)Familie/ Freundeskreis.
Dass nicht alle Kinder einen solchen Start ins Leben haben, erzürnt und ängstigt mich gleichermaßen. Es ist pures Glück, reiner Zufall, dass wir so leben dürfen - wo doch ein Großteil der Weltbevölkerung unmittelbar unter massiver Umweltschmutzung, Ausbeutung unseres Planeten, "Klima-wandel", Gewalt, prekären Arbeits- und Lebensbedingungen leidet. Wenn ich Zeitung lese oder Nachrichten höre, frage ich mich oft, wie lange eine solche Ungerechtigkeit noch für uns Wohlstandseuropäer funktionieren mag und wann die Konsequenzen unseres Lebensstils auch uns erreichen....
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